Rente mit 63: Wider der Generationengerechtigkeit
Die deutsche Bevölkerung altert im internationalen Vergleich überdurchschnittlich schnell. Gleichzeitig liegt das Renteneintrittsalter immer noch unter der Regelaltersgrenze und niedriger als im Durchschnitt der OECD. Durch die Rentenpläne der Großen Koalition wird das Rentensystem zusätzlich unter Druck gesetzt.
Die demografische Herausforderung, die in Deutschland besonders stark ausgeprägt ist, macht die Rente mit 67 unumgänglich. Denn trotz „Riester-Reform“ und Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors ist absehbar, dass die gesetzlich definierten Obergrenzen für den Beitragssatz von 20 Prozent im Jahr 2020 und 22 Prozent bis zum Jahr 2030 ohne Erhöhung der Regelaltersgrenze nicht eingehalten werden können.
Deutschland befindet sich damit in bester Gesellschaft, denn mittlerweile wird die Regelaltersgrenze EU-weit an die steigende Lebenserwartung angepasst. Wenn im Jahr 2020 hierzulande die Rente abschlagfrei erst mit 65 Jahren und 9 Monate bezogen werden kann, dann gilt in Dänemark, Irland oder in Großbritannien bereits eine Regelaltersgrenze von 66 Jahren, in Estland, Griechenland, Italien, den Niederlanden oder Polen liegt sie sogar darüber.
Die Regelaltersgrenze alleine sagt allerdings noch nichts darüber aus, wann die Menschen tatsächlich vom Arbeitsleben in den Ruhestand wechseln. Frühverrentungsregelungen können beispielsweise dafür sorgen, dass Menschen auch früher aus dem Erwerbsleben scheiden. Und hier hat Deutschland Aufholbedarf:
- Im Jahr 2012 kehrten deutsche Männer fast drei Jahre vor Erreichen der Regelaltersgrenze dem Arbeitsleben den Rücken zu, bei den Frauen waren es sogar fast dreieinhalb Jahre.
- Noch früher schieden die Arbeitnehmer vor allem in Österreich, Italien, Frankreich und Belgien aus dem Arbeitsmarkt. Umgekehrt gingen zum Beispiel Dänen, Niederländer oder Briten später in den Ruhestand.
- Aber alle genannten Länder blieben – vor allem mit Blick auf männliche Arbeitnehmer – unter dem OECD-Durchschnitt. Das liegt auch daran, dass die OECD Länder einbezieht, die üblicherweise für Deutschland nicht als Referenz herangezogen werden – zum Beispiel Japan, Mexiko oder Südkorea. Gleichwohl zeigen die Werte der beiden europäischen Wohlstandsgesellschaften Schweiz und Schweden, dass ein längeres Erwerbsleben über die Regelaltersgrenze hinaus durchaus „normal“ sein kann, ohne gleich in den Verdacht zu geraten, dass die Versicherten durch eine schlechte gesetzliche Versorgung dazu gezwungen seien.
Mit der Einführung der Rente mit 63 schlagen wir nun genau die verkehrte Richtung ein. Statt Möglichkeiten für Frühverrentung zu schaffen, brauchen wir Anreize, die das reale Renteneintrittsalter erhöhen.
Die Ausgaben für die Altersversorgung steigen in Deutschland ohnehin schon überdurchschnittlich schnell. Auch ohne zusätzliche Leistungsversprechen werden dadurch künftig die wirtschafts- und sozialpolitischen Handlungsspielräume eingeschränkt. Die Finanzierungslasten schultern vor allem die kommenden Generationen. Nach Berechnungen der Europäischen Kommission wird in Deutschland der Anteil der Ausgaben für die Alterssicherung am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 10,8 Prozent (2010) um rund ein Sechstel auf 12,7 Prozent (2040) steigen. Zum Vergleich: Im Durchschnitt aller EU-Mitglieder rechnete die Kommission lediglich mit einem Anstieg um knapp ein Neuntel.
Im Hinblick auf den demographischen Wandel in Deutschland würde die Einführung einer abschlagsfreien Rente mit 63 die Finanzierbarkeit eines angemessenen Rentenniveaus gefährden. Dies führt zu einer Verschärfung der ohnehin bestehenden Lastverschiebung auf die Schultern nachfolgender Generationen. Generationengerechte Politik sieht anders aus.
Hier finden Sie das IW-Kurzgutachten “Deutschland in guter Gesellschaft – Zur Entwicklung der Regelaltersgrenze und des Rentenzugangsalters im internationalen Vergleich”.
Autor:
R. Fischer und Prof. G. Schnabl Prof. Schnabl ist Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig. Raphael Fischer ist Diplom-Volkswirt und Forschungsassistent am Institut für Wirtschaftspolitik der Universität Leipzig.