Rente: Mehr als nur ein Schritt zurück

Mit ihren Reformplänen verlässt die Große Koalition den Weg zu einer demografiefesten Rente – und gerechter wird das System dadurch auch nicht.

Zwei Gruppen dürften sich über die Rentengeschenke der Großen Koalition freuen: Die meisten Mütter erhalten nach dem aktuellen Gesetzentwurf für jedes Kind, das vor 1992 geboren wurde, doppelt so viel „Mütterrente“ wie heute. Und Beschäftigte, die 45 Beitragsjahre eingezahlt haben, sollen bereits im Alter von 63 abschlagsfrei in Rente gehen können.

Finanzieren müssen diese Wohltaten vor allem die jüngeren Beitragszahler. Statt von der gut gefüllten Rentenkasse durch sinkende Beiträge zu profitieren, müssen sie schon heute mehr bezahlen. Denn eigentlich hätte der Beitragssatz zum Januar auf 18,3 Prozent sinken können. Die für die zusätzliche Mütterrente veranschlagten Kosten von anfänglich 6,5 Milliarden Euro pro Jahr erfordern aber auch zusätzliche Mittel – deshalb hat die GroKo eine Beitragssatzsenkung noch vor Weihnachten vorsorglich verhindert. Aber nicht nur die Beschäftigten zahlen die Zeche – und das auf Dauer. Denn aufgrund des unverändert hohen Beitragssatzes steigen die gesetzlichen Renten künftig nicht so stark, wie es bei einem reduzierten Beitragssatz der Fall gewesen wäre. Wer also keine zusätzliche Mütterrente erhält oder anderweitig von den Reformplänen der neuen Bundesregierung profitiert, muss auch als Rentner seinen Obolus in Form geringerer Rentenanpassungen beisteuern.

Der Großen Koalition geht es dabei angeblich um Gerechtigkeit: Es sei unfair, dass Mütter mit vor 1992 geborenen Kindern weniger Geld erhalten. Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich: Diese Mütter haben auch noch viele Privilegien aus früheren Zeiten. Viele von ihnen konnten beispielsweise deutlich früher in Rente gehen. Ältere Seniorinnen, die unterdurchschnittlich verdient haben, bekommen außerdem immer noch einen Rentenaufschlag – davon können die Mütter jüngerer Generationen nur träumen. Sie werden länger arbeiten müssen, über ihr gesamtes Erwerbsleben höhere Beitragslasten schultern, um sich dann im Ruhestand mit einem vergleichsweise niedrigeren Versorgungsniveau abfinden zu müssen. Aber es geht noch schlimmer: Denn wer als Ruheständlerin heute nicht über die Runden kommt und auf die Grundsicherung im Alter angewiesen ist, der profitiert noch nicht einmal von der zusätzlichen Mütterrente. Die gesetzlichen Rentenbezüge werden mit dem Grundsicherungsanspruch in der Regel verrechnet.

Und dann verabschiedet sich die Politik mit der abschlagsfreien Rente ab 63 auch noch davon, das Rentensystem auf den demografischen Wandel vorzubereiten. Der Kreis der Begünstigten wird groß sein, das zeigt ein Blick auf die aktuellen Rentner. Rund ein Viertel von ihnen hat mindestens 45 Versicherungsjahre auf dem Buckel. Dazu zählen zwar auch Zeiten der Ausbildung oder Arbeitslosigkeit. Aber weil  die Große Koalition darüber nachdenkt, manche Zeiten wie die der Arbeitslosigkeit großzügig als Beitragsjahre anzurechnen, wird die Zahl derer, die sich auf den vorzeitigen Ruhestand freuen können, eher größer als kleiner. Gekniffen sind aber nicht nur die jungen Versicherten, die den vorzeitigen Rentenbezug und den Beitragsausfall vorfinanzieren müssen. Gekniffen sind auch die Unternehmen und damit mittelfristig die Wachstumsperspektiven am Standort Deutschland. Denn sollten sich die schlimmsten Befürchtungen bestätigen, wird die Fachkräftelücke weiter aufklaffen. Den guten Plan, die Rente mit 67 schrittweise einzuführen, führt das ad absurdum – eine sauber ausgeführte Rolle rückwärts.

Autor:

R. Fischer und Prof. G. Schnabl Prof. Schnabl ist Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig. Raphael Fischer ist Diplom-Volkswirt und Forschungsassistent am Institut für Wirtschaftspolitik der Universität Leipzig.

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