Reformen statt Kartell der Mittelmäßigen
„Deutschland muss teurer werden!“ Diese jüngst wieder einmal erhobene Forderung ist nicht neu. Schon vor knapp drei Jahren hat die damalige französische Finanzministerin Christine Largarde angeprangert, Deutschland exportiert und wächst auf Kosten der übrigen EU-Länder. Und auch hierzulande gewinnt der Gedanke Unterstützer. Um den Euro zu stabilisieren, müsse mit der Lohnzurückhaltung jetzt Schluss sein.
Der Hintergrund: Durch steigende Lohnkosten in Deutschland verschlechtert sich die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik. Frankreich, Spanien Griechenland etc. können so aufschließen. Rettet ein Schluck aus der Lohnpulle den Euro?
Man kann nicht so tun, als sei die hohe Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft vom Himmel gefallen. Es ist noch keine 10 Jahre her, da war Deutschland der kranke Mann Europas. 5 Millionen Menschen hatten keine Beschäftigung, die Wirtschaft stagnierte, während Europa kräftig zulegte.
Durch teilweise schmerzhafte Reformen zum Beispiel am Arbeitsmarkt ist es Deutschland aber gelungen, sich fit für den internationalen Wettbewerb machen. Die Arbeitslosigkeit ging von fünf Millionen auf unter drei zurück.
Wer jetzt fordert, Deutschland solle seine Wettbewerbsfähigkeit verschlechtern, will die Uhr zurück drehen. Wettbewerb ist der Motor für Wachstum und Wohlstand. Dass einige Volkswirtschaften besser sind als andere, ist kein notwendiges Übel, sondern in einer Marktwirtschaft unerlässlich und die Triebfeder für einen immer schonenderen Umgang mit knappen Gütern. Dieses Prinzip hat uns ein nie dagewesenes Wohlstandsniveau gebracht.
Außerdem sollte nicht vergessen werden, dass rund 60 Prozent der deutschen Exporte außerhalb des Euroraums abgesetzt werden. Diese Märkte zu gefährden, wäre grob fahrlässig. Europa ist nur ein – immer kleiner werdender – Teil der Welt; wir können uns nicht isolieren.
Statt die Uhr zurück zudrehen, müssen die Krisenstaaten weiter Reformen durchführen, die Deutschland schon hinter sich gebracht hat. Da die Schuldenkrise sich immer weiter zuspitzt, muss dies sehr schnell geschehen – und das macht die Anpassungen leider zur Rosskur. Um die größten Schmerzen zu lindern, zahlt Deutschland bereits kräftig. ESM und TARGET Salden sind an dieser Stelle nur zwei Stichworte. Jetzt zu fordern, Deutschland müsse das Lohniveau anheben, ist genauso sinnvoll, wie wenn sich der in Führung liegende Läufer eines Rennens selbst bremst, damit die anderen aufholen können.
Ein Gründungsgedanke der EU war, der Zugewinn von Wettbewerbsfähigkeit. Mit Gleichmacherei erreicht man zwar, dass jedes Land auf Augenhöhe läuft. Es bedeutet aber folglich auch, dass das langsamste Land das Tempo vorgibt.
Autor:
Prof. Dr. Andreas Freytag ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er ist zudem als Honoraprofessor an der Universität Stellenbosch und am Institute for international Trade der Universität Adelaide tätig. Neben den Fragen zur deutschen und europäischen Wirtschaftspolitik interessieren ihn außenwirtschaftliche und entwicklungspolitische Themen.