Rating-Fanfaren und Rating-Qualen

Der Verlust der Top-Bonität Frankreichs sollte für  Deutschland ein Warnsignal sein. Zwar ist man noch im Besitz des begehrte AAA, doch das Rating bröckelt, denn die Ursachen der Bank- und Staatsverschuldung sind noch lange nicht beseitigt. Im Gegenteil: Im Bakensektor brodelt es erneut.

Frankreich hat sein Triple A verloren. Zuerst hat die Politik mit Empörung reagiert. Schnell sind die Schuldigen ausgemacht. Die Rating-Agenturen hätten sich verschworen. Vom angelsächsischem Währungskrieg ist gar die Rede, mit dem die so genannte Euro-Rettung torpediert werden soll. Doch ertönen hier nicht Kriegs-Fanfaren, sondern Warnsignale. Das Signal dient als Weckruf, endlich kritisch nach der Nachhaltigkeit des eigenen Ratings zu fragen. Noch steht Deutschland scheinbar makellos da. Doch wir spüren zunehmend die Lasten aus der Euro-Rettung und der sich anbahnenden Transferunion. Auch rechnen die volkswirtschaftlichen Abteilungen der meisten Banken mit einer bevorstehenden Rezession. Das wird Lasten für den Staatshaushalt und die Sozialkassen mit sich bringen. Ein Einbruch des Wachstums von 3 auf 0 Prozent bedeutet Minuseinnahmen und Mehrausgaben. In Summe geht es nach Angaben des Bundesministeriums für Finanzen um rund 50 Milliarden Euro. Damit würde Deutschland die Defizitlatte erneut reißen.

Hinzu kommt die Problematik einer bevorstehenden Finanzierung von Bankenversagen. Sie wird als Bankenrettung verharmlost. Bankenversagen und Staatsschuldenkrise lassen sich nicht unabhängig voneinander denken. Der deutliche Schub des deutschen Schuldenstands von gut 70 Prozent in 2009 auf über 80 Prozent des BIPs Ende 2010 ist die Folge der Bankenkrise seit 2008. Der Staat wurde mit der Drohung genötigt, das Finanzsystem sei gefährdet, wenn die Banken nicht vor dem Untergang gerettet würden. Das hat die Staatsschulden nach oben getrieben. Dadurch wird das deutsche Rating gefährdet. Die Gefährdung des Ratings wiederum hat Auswirkungen auf die finanzielle Gesundheit der Banken. Sie sind Hauptabnehmer der Staatsanleihen. Sie finanzieren den Staat. Früher waren ihre Depots voll mit „sicheren“ Staatsanleihen. Doch diesen Nimbus haben Staatsanleihen verloren. Sie sind nun Risikopapiere wie alle anderen Wertpapier-Anlagen. Die Banken verletzen eine elementare Regel: Sie sind überproportional in nur einer Anlageklasse investiert, den Staatsanleihen. Anders gesagt: Man soll nicht wie die Banken alle Eier in einen Korb tun. Jeder Verlust von Kreditwürdigkeit, jede Neuverschuldung Deutschlands bedroht daher die Bankbilanzen.Schwache Bankbilanzen wiederum veranlassen den Staat zum Einspringen. Schon wird der SoFFin wiedereröffnet. Bis zu 70 Milliarden Euro sind eingeplant, um Versagen zu finanzieren.

Deutschland verliert seine Kreditwürdigkeit Schritt für Schritt. Dieser Prozess wird weitergehen, wenn weiterhin die Ursachen von Bank- und Staatsverschuldung nicht angegangen werden. Wenn wir Glück haben, dann sind die großen Rating-Agenturen mit uns noch eine Weile so gnädig wie sie es mit Frankreich waren. Vielleicht werden sie noch einige Monate länger warten, bevor die Herabstufung auf dem Papier erfolgt. Allerdings: Eine kleine, feine Rating-Agentur ist schon vorangegangen. Die Spezialisten von Egan-Jones haben Deutschland auf AA- herabgestuft. Wollen wir hoffen, dass dies eine Eintagsfliege war und nutzen wir die Zeit für einen Kurswechsel.

Autor:

Frank Schäffler war bis 2013 Abgeordneter der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag.

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