Politik und Realität: Woran die Rentendebatte krankt

Höhere Renten für alle? Die große Koalition plant nach der Rente mit 63 und der Mütterrente weitere Leistungsausweitungen in der Rente. Dabei unterliegt sie einem großen Missverständnis.

Noch keiner Rentnergeneration ging es besser als der heutigen. Dennoch ist pünktlich vor dem Wahlkampf eine Diskussion um die gesetzliche Rente entbrannt. Der weitere Sinkflug des Rentenniveaus müsse ein Ende haben, so die Forderung aus dem Arbeitsministerium. Regelmäßige Begründung: Es drohe sonst massenhaft Armut im Alter. „Die Rente muss für ein gutes Leben reichen“ proklamiert etwa der Deutsche Gewerkschaftsbund.

Von den Folgen für die  Beitragszahler einmal abgesehen, die eine Anhebung des Rentenniveaus zur Folge hätte, unterliegt diese Argumentation einem weit verbreiteten Irrtum.

Das Rentenniveau gibt an, wie sich die Renten eines Durchschnittsverdieners zum aktuellen Durchschnittslohn verhalten. Derzeit liegt es etwa bei 47,5 Prozent. Nach neuesten Prognosen sinkt das Rentenniveau – der demografischen Entwicklung geschuldet – bis zum Jahr 2035 unter 43 Prozent. Das klingt dramatischer als es ist: Ein sinkendes Rentenniveau bedeutet nicht, anders als oft suggeriert wird, dass die Renten sinken, sondern nur, dass die Kaufkraft der Renten langsamer steigt als die Kaufkraft der Löhne.90 Prozent der Rentner werden 2030 sogar besser dastehen als heute, hat der Rentenexperte Prof. Axel Börsch-Supan berechnet. Legt man den aktuellen Rentenversicherungsbericht zu Grunde, wird der Durchschnittsrentner – selbst bei einer angenommenen Inflation von zwei Prozent – im Jahr 2029 mehr Kaufkraft in der Tasche haben, als der Durchschnittsrentner heute.

Gemeinsam mit privater und betrieblicher Vorsorge verhindert die gesetzliche Rente wirkungsvoll Armut im Alter. Heute sind gerade einmal 2,6 Prozent der über 65-jährigen auf Grundsicherung im Alter angewiesen und damit weit weniger, als im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung (8,9 Prozent). Der wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums rechnet unter pessimistischen Annahmen langfristig etwa mit einem Anstieg der Grundsicherungsempfänger auf 5,4 Prozent.

Letztlich entscheidend aber ist: Die Anhebung des Rentenniveaus beseitigt in aller Regel keine Altersarmut, es würden die Falschen profitieren. Grundsicherung im Alter beziehen vor allem ehemalige Selbstständige, die nie rentenversichert waren, Langzeitarbeitslose und Erwerbsunfähige. Ein höheres Rentenniveau hilft diesen Menschen wenig bis gar nicht.

Besser wäre es freilich, das Übel an der Wurzel zu packen. Bei der Vermeidung von Altersarmut spielt der Zugang zum Arbeitsmarkt eine Schlüsselrolle. Bildung und Qualifizierung fördert die Integration in den Arbeitsmarkt. Darüber hinaus wäre eine Vorsorgepflicht für Selbständige ein sinnvoller Beitrag zur Vermeidung von Altersarmut. Wichtig dabei ist, dass es den Selbständigen selbst überlassen bleibt, wie sie dieser Pflicht nachkommen. So bleibt die Rente demografie- und armutsfest zugleich.

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Autor:

Marc Feist arbeitet am Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf im Bereich Presse und Wissenstransfer.

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