Pflege-Reform: Ba(h)r jeder Vernunft?
Nach langem hin und her hat das Bundeskabinett Anfang des Monats der privaten Pflegereform zugestimmt. Private Pflege wird damit staatlich bezuschusst. Das Vorhaben ist politisch nicht unumstritten. Ökonomisch betrachtet ist die Sachlage klarer.
Schon das politische Hickhack im Vorfeld lässt Zweifel aufkommen, ob die neue Sozialleistung geeignet ist, für eine nachhaltige Absicherung des Pflegerisikos sorgen zu können: Das Bundeskabinett hat die Einführung einer staatlichen Förderung privater Zusatzversicherungen offenbar nur im Gegenzug zu dem stark kritisierten Betreuungsgeld beschlossen. 5 Euro will der Staat pro Monat ab dem ersten Januar als Zulage zahlen, wenn Versicherte selber mindestens weitere 5 Euro im Monat für eine private kapitalgedeckte Pflegezusatzversicherung aufbringen. Grundsätzlich sollen auch Versicherungen, die vor dem ersten Januar abgeschlossen wurden, gefördert werden.
Kosten soll diese neue Maßnahme lediglich 90 Millionen. Denn der Finanzminister geht davon aus, dass es zunächst nicht mehr als 1,5 Millionen Neuverträge gibt. Ob diese Rechnung allerdings aufgeht, ist fraglich: Wenn man davon ausgeht, dass die bisher bestehenden 1,9 Millionen Zusatzversicherungen förderfähig sind, reichen die veranschlagten 90 Millionen Euro bereits nicht mehr aus. Das Fördervolumen läge dann deutlich über 100 Millionen Euro. Wesentlich tiefer müsste der Staat in die Tasche greifen, wenn alle gesetzlich Versicherten zwischen 20 und 60 sich zusätzlich versichern würden: Dann reden wir nicht mehr nur über einige Millionen: geschätzte 2,2 Milliarden würde das den Steuerzahler kosten.
Was für die Riester-Rente richtig sei, könne bei der Vorsorge für die Pflege im Alter nicht falsch sein, argumentierte der Gesundheitsminister Daniel Bahr. Doch Pflege Bahr und Riester Rente unterscheiden sich – nicht nur im Detail. Mit der Riesterrente sollen die Arbeitnehmer angehalten werden, die Leistungskürzung in der gesetzlichen Rentenversicherung über das private Standbein auszugleichen. Beim Pflege-Bahr gibt es aber keine vergleichbare Leistungskürzung. Im Gegenteil: Der gesetzliche Leistungsumfang wird sogar noch ausgeweitet – und das, obwohl die Pflegeversicherung nur als Teilkaskoversicherung konzipiert wurde.
Man könnte zu Gute halten, dass mit dem Pflege-Bahr der Einstieg in die Kapitaldeckung vollzogen wird. Doch ein Zuschuss von 5 Euro setzt nicht nur zu geringe Anreize. Trotz neuer Kosten für den Steuerzahler steht die Finanzierung der gesetzlichen Pflegeversicherung weiterhin auf tönernen Füßen, weil der Leistungsversprechen weiter im Umlageverfahren finanziert werden.
Die Pflegereform war Gegenstand des INSM-WiWo-Deutschland-Checks. Wenn Sie wissen wollen, wie die Wissenschaftler des IW Köln die Pflegereform im Detail bewerten, klicken Sie hier.
Autor:
R. Fischer und Prof. G. Schnabl Prof. Schnabl ist Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig. Raphael Fischer ist Diplom-Volkswirt und Forschungsassistent am Institut für Wirtschaftspolitik der Universität Leipzig.