Otmar Issing: "Deutschland zehrt immer noch von der Schröderschen Agenda 2010"
Die Botschafter der INSM verbreiten mit ihrem ehrenamtlichen Engagement die Botschaft der Sozialen Marktwirtschaft. In der Serie “Vier Fragen an…” beantworten die Botschafter Fragen rund um die Marktwirtschaft. In diesem Post: Otmar Issing.
1) Herr Issing, warum setzen Sie sich für die Soziale Marktwirtschaft ein?
Die Soziale Marktwirtschaft hat sich als Erfolgsmodell erwiesen. Soweit die Politik diesem Kozept gefolgt ist, hat sie den Deutschen Wohlstand, sozialen Frieden und gesellschaftliche Stabilität gebracht. Das kann man den Bürgern nicht oft genug vor Augen halten. Nach der Wiedervereinigung ist diese Aufgabe noch dringlicher geworden. Schließlich haben unsere Landsleute im Osten die erfolgreichsten Jahre nicht selbst direkt miterleben können.
2) In welcher Verfassung befindet sich aktuell die Soziale Marktwirtschaft in Deutschland?
Problematisch ist vor allem die Richtung, die die Wirtschaftspolitik seit einigen Jahren eingeschlagen hat. Deutschland zehrt immer noch von der Schröderschen Agenda 2010. Ihre Umsetzung hat den Arbeitsmarkt flexibler gemacht, ein wesentlich Grund für die niedrige Arbeitslosigkeit. Mit einer völlig fehlgeleiteten Renten“Reform“, einer gesamtwirtschaftlich verheerenden Energiepolitik und dem flächendeckenden Mindestlohn wurde ein Weg eingeschlagen, den der Sachverständigenrat zu Recht als rückwärtsgerichtete Wirtschaftspolitik charakterisiert hat. Zu allem Überfluss werden diese Maßnahmen auch noch als Ausdruck der Sozialen Marktwirtschaft „verkauft“. Selbst Vertreter der extremen Linken bekennen sich als Anhänger, ohne dass dies als Ironie verstanden wird. Der Niedergang ordnungspolitischen Denkens in Deutschland könnte nicht deutlicher dokumentiert werden.
3) Wenn Sie den Ordnungsrahmen der Sozialen Marktwirtschaft ändern könnten: Was würden Sie konkret tun?
Nicht Änderung ist vordringlich, sonder Vermittlung des Kerns der Botschaft. Es gilt zuerst und vor allem, die totale begriffliche und inhaltliche Verwirrung zu bekämpfen. Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft leistet dazu einen wesentlichen Beitrag. Dazu gehört auch, die jungen Leute in moderner Weise anzusprechen.
4) Welche drei Bücher über die Soziale Marktwirtschaft empfehlen Sie?
Es lohnt sich noch immer, in die Veröffentlichungen Ludwig Erhards hineinzusehen.
Hier sind zwei Sammelbände mit zahlreichen interessanten Beiträgen:
- Dieter Cassel (Hrsg.) : 50 Jahre Soziale Marktwirtschaft, Stuttgart 1998.
- Nils Goldschmidt, Michael Wohlgemuth (Hrsg.): Die Zukunft der Sozialen Marktwirtschaft: sozialethische und ordnungsökonomische Grundlage, Tübingen 2004.
- Sehr anspruchsvoll: Otmar Issing (Hrsg.): Zukunftsprobleme der Sozialen Marktwirtschaft, Berlin 1981.
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Autor:
Prof. Dr. Otmar Issing ist Präsident des Center for Financial Studies und ehemaliger Chefvolkswirt und Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB). Außerdem ist er Botschafter der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM).