Mit Beständigkeit zum Klassenprimus
Emotional und kontrovers wird die Debatte über die Schulzeitverkürzung von G9 auf G8 geführt. Mit zunehmend leidender Bildungsqualität, erhöhtem Leistungsdruck, weniger Zufriedenheit der Schüler sowie zu wenig Freizeit gehe G8 einher, argumentieren die Gegner der Bildungsreform. Wie wasserdicht sind ihre Argumente? Der Bildungsmonitor 2014 zeigt, dass die Unterschiede zwischen G9 und G8 spektakulär unspektakulär sind. Das Thema bleibt jedoch weiter in den Bundesländern umstritten – und Deutschland ein schulpolitischer Flickenteppich.
G8 und Zeiteffizienz
Im internationalen Vergleich wird deutlich, dass das Durchschnittsalter deutscher Abiturientenvor der Einführung von G8 vergleichsweise hoch war. Aus ökonomischer Perspektive ist ein früherer Übergang in Berufsbildung, Studium und anschließend in den Arbeitsmarkt mit Vorteilen verbunden. Schließlich verlängert G8 die Dauer des Erwerbslebens um ein Jahr. Davon profitieren die Schüler selbst, die ihr Lebenseinkommen steigern können, aber auch Staat und Sozialversicherungen, die vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ihre Einnahmenbasis verbreitern und damit die Leistungen finanziell besser absichern können. Auch für die Fachkräftesicherung in Deutschland bedeutet ein früherer Übergang einen Gewinn. Der Faktor Zeit stellt somit in vielerlei Hinsicht die Weichen der Zukunft. Jedoch sollten diesen Vorteilen keine Nachteile bei den Bildungsleistungen und dem Wohlergehen der Schüler entgegenstehen.
G8 und Bildungsergebnisse
Oftmals führen Kritiker der Schulzeitverkürzung an, dass unter G8 die Bildungsqualität leide und somit die Bildungsergebnisse der Schüler schlechter werden. So zeigen die durchschnittlichen Abiturnoten zum Zeitpunkt der Doppeljahrgänge in den Ländern, dass es keine relevanten Unterschiede zwischen G8 und G9 Schülern gibt. Es gibt bisher keine Belege, dass unter G8 die Bildungsqualität leide. Dazu zeigt der Bildungsmonitor, dass gerade die Bundesländer gut abschneiden, die Beständigkeit in ihren Strukturen gewährleisten und nicht ständig die Schulen in Unruhe versetzen. Sachsen und Thüringen haben seit jeher ein G8. Beide Bundesländer schneiden auch beim Bildungsmonitor mit einem Spitzenplatz ab.
G8 und Wohlbefinden
Häufigwird gegen das G8 das Argument „Dauerstress“ ins Feld geführt. Die Schüler haben durch G8 weniger Freizeit für Musik, Sport und Ehrenamt. Die Lebenszufriedenheit der Schüler sinke. Wahr ist, dass sich durch die Einführung von G8 die durchschnittliche wöchentliche Unterrichtszeit von gut 29 auf 33 Stunden erhöht. Empirisch lässt sich aber kein Unterschied zwischen den Freizeitaktivitäten wie Sport, Musik und Ehrenamt zwischen G8- und allen Gymnasiasten feststellen. Die unstrukturierte Freizeit ist bei G8-Schülern geringer. Bei der Lebenszufriedenheit ergeben sich keine Abweichung bei G8-Gymnasiasten.
Der Bildungsmonitor 2014 kommt folglich zu dem Ergebnis, dass die befürchteten negativen Effekte der G8-Reform nicht belegt werden können. Nichtsdestotrotz bleibt der Übergang von G8 auf G9 weiter auf der Tagesordnung und schafft durch damit verbundene Strukturveränderungen neue Unruhe an den Schulen. In einigen Bundesländern wird über Verlängerungsoptionen und die grundsätzliche Wahlfreiheit der Schulen diskutiert oder bereits experimentiert. Ein fatales Signal an die zukünftigen Generationen. Denn wenn die Studie eines gezeigt hat, dann, dass sich Beständigkeit und gezielte Investitionen in die Förderinfrastruktur auszahlen. Sachsen und Thüringen machen es vor.
Alle Ergebnisse des Bildungsmonitors finden Sie hier.
Autor:
Prof. Dr. Axel Plünnecke ist stellvertretender Leiter des Wissenschaftsbereichs Bildungspolitik und Arbeitsmarktpolitik und Leiter des Kompetenzfelds Humankapital und Innovationen beim Institut der deutschen Wirtschaft.