Lohnstückkosten: Deutschland ist nicht das böse Musterländle

Im Ausland heißt es oft: Das böse Deutschland verstärkt durch eine besonders hohe Wettbewerbsfähigkeit die Ungleichgewichte im Euroraum. Die Zahlen und eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zeigen jedoch ein ganz anderes Bild: Das Lohnstückkostenniveau ist hierzulande überdurchschnittlich hoch und auch bei der Lohnstückkostendynamik ist Deutschland keineswegs zurückhaltend. Seit 1991 sind die Lohnstückkosten in Deutschland stärker gestiegen als bei der ausländischen Konkurrenz.

Lohnstückkosten: Deutschland teurer als der DurchschnittJa, es stimmt – Deutschlands Industrie ist deutlich produktiver pro Arbeitsstunde als die ausländische Konkurrenz. Durchschnittlich waren die wichtigsten EU-Länder zusammen mit Norwegen, den USA, Japan und Kanada im Jahr 2014 insgesamt 12 Prozent weniger produktiv als die deutsche Industrie, der Euroraum lag sogar 14 Prozent zurück. Aber dieser Vorsprung reicht nicht aus, um den Nachteil der hohen Arbeitskosten in Deutschland wettzumachen. Die Lohnstückkosten – also das Verhältnis von Arbeitskosten zur Produktivität – in den anderen Ländern waren 2014 durchschnittlich um 11 Prozent günstiger als in der Bundesrepublik.

Ungünstige Entwicklung führt zu steigenden Lohnstückkosten

Die angeblich überbordende Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands wird vor allem mit einem angeblich sehr geringen Anstieg der Löhne begründet. Dies galt aber nur temporär und zudem steht dem auch eine schwache Produktivitätsdynamik gegenüber. Langfristig haben sich die industriellen Lohnstückkosten hierzulande ungünstiger entwickelt als bei der Konkurrenz: Im Durchschnitt stiegen die Lohnstückkosten in Deutschland zwischen 1991 und 2014 jährlich um 0,5 Prozent. Bei der ausländischen Konkurrenz blieben diese Kosten dagegen – in heimischer Währung gerechnet – in etwa konstant, auf Euro-Basis gaben sie sogar leicht nach. Auch die anderen Euro-Länder schnitten in diesem Zeitraum nicht schlechter ab als Deutschland.

Kein Anlass für expansive Lohnpolitik

Wenn überhaupt von einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gesprochen werden kann, betrifft dies die Jahre 1999 bis 2007 – und nur den Vergleich zu den Partnerländern des Euroraums. Die expansive Lohnpolitik der vergangenen Jahre hat diesen Kostenvorteil allerdings teilweise wieder aufgezehrt. Und auch als Handelspartner ist Deutschland genauso stark in den Euroraum eingebunden wie zu Zeiten der Euroeinführung, die Handelsbilanzüberschüsse sind nicht ausgeprägter als 1999. Für eine expansive Lohnpolitik mit weiteren Lohnerhöhungen gibt es also keinen Anlass. Zu hohe Lohnabschlüsse, die beschäftigungsfeindlich wirken, würden den Konsum und damit die Konjunktur in Deutschland schwächen. Und letztlich würde das auch dem Euroraum schaden, weil Deutschland als Absatzmarkt an Gewicht verlöre.

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Autor:

Christoph Schröder ist Senior Researcher beim Institut der deutschen Wirtschaft.

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