Liberalisierungen sind Wachstumspakete
Auch wenn Liberalisierungen umstritten sind, sind die Erfolge deutlich spür- und messbar. Gerade in Zeiten niedriger Wachstumsraten können Marktöffnungen Wachstumspotentiale heben. Am Ende profitieren davon vor allem die Verbraucher.
Wenn es darum geht, Märkte zu liberalisieren, tun sich die meisten Politiker traditionell schwer. Auch in der öffentlichen Diskussion wird Marktliberalisierung teilweise sehr kritisch gesehen. Viele fürchten eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und sinkende Löhne, wenn sich eine Branche erst einmal dem Wettbewerbsdruck aussetzen muss. Es wird vor allem darüber diskutiert, welche Probleme entstehen, nicht aber welcher Nutzen.
Ein Grund dafür ist, dass die Verlierer einer Marktöffnung gut identifizierbar und bekannt sind: die etablierten, vom Wettbewerb geschützten Unternehmen, die auch oft politisch gut vernetzt sind. Die Gewinner hingegen sind oft noch unbekannt, denn es sind zum einen neue Anbieter, deren politisches Gesicht oft fehlt. Und zum anderen profitieren die Verbraucher. Diese jedoch sind nicht in schlagkräftigen Interessenverbänden organisiert. Vorteile, die bei Verbrauchern und neuen Anbietern nicht entstehen, werden auch oft als weniger schmerzhaft empfunden als Verluste bei bestehenden Unternehmen. Politisch ist daher der Status quo oft schwer zu überwinden.
Es ist vor allem der EU zu verdanken, dass vor etwa 30 Jahren damit begonnen wurde, wichtige Märkte für den Wettbewerb freizugeben. Den Anfang machte der europäische Luftverkehrsmarkt. Es folgten der Post- und Telekommunikationsmarkt sowie der Strommarkt. Jüngstes Beispiel ist der Fernbuslinienverkehr.
Heute ist es selbstverständlich, dass wir für Internet und Telefon aus einer Vielzahl von Anbietern auswählen können. Kaum einer erinnert sich noch an die Drehscheibentelefone in Grün, Orange, Beige oder Rot, die man bei der Deutschen Bundespost mieten konnte. Ob Telefon, Flugzeug oder Busfahrten: Vor allem profitieren die Verbraucher durch drastische Preissenkungen in Folge des Wettbewerbs. So hat sich beispielsweise der Preis für ein Gespräch ins deutsche Festnetz tagsüber von rund dreißig Cent auf zwei Cent verringert. Dabei hat die Unterscheidung zwischen Orts- und Ferngespräch immer mehr an Bedeutung verloren. Heute telefonieren wir normalerweise deutschlandweit zu jeder Tages- und Nachtzeit zu monatlichen Pauschaltarifen (Flatrate). Ähnlich hat sich der Luftverkehr entwickelt. Es kam zu Neugründungen von Airlines, neuen Flugstrecken und zu deutlichen Preissenkungen. Für nur zehn Euro kann man inzwischen von Berlin nach Köln fliegen.
Die Liberalisierung weiterer Sektoren könnte Wachstumspotentiale für die deutsche Volkswirtschaft generieren und den Verbrauchern zugutekommen. Im Bereich der Erneuerbaren Energien wird Wettbewerb aufgrund der überaus zaghaften Reformversuche nur zögerlich eingeführt, obwohl schon lange Vorschläge auf dem Tisch liegen, wie hier Wettbewerb entstehen könnte, ohne den Ausbau von Ökostrom zu gefährden. Dies hat dazu geführt, dass die Kosten für die Förderung in die Höhe schnellen und sie Jahr für Jahr mehr als 20 Milliarden Euro verschlingt.
Auch im Postbereich wäre mehr Wettbewerb möglich. Schon seit fast zehn Jahren mahnt die Monopolkommission an, hier für bessere Wettbewerbsbedingungen gerade im Briefbereich zu sorgen. Am offensichtlichsten ist die einseitig gewährte Umsatzsteuerbefreiung auf bestimmte Postdienstleistungen der Deutschen Post AG, in deren Genuss andere Anbieter nicht kommen. Dies benachteiligt andere Wettbewerber erheblich.
Längst überfällig ist zudem die Deregulierung zahlreicher freier Berufe, wie Notare, Steuerberater oder Apotheker. In einem OECD-Regulierungsindex für den Dienstleistungssektor belegt Deutschland unter 30 Staaten den viertletzten Platz. Das Deregulierungspotential dürfte also erheblich sein.
Schließlich sind auch viele kleinere Märkte überreguliert und vom Wettbewerb abgeschottet. Ob der Taximarkt, wo die Branche Eintritte von Uber und Co. bisher erfolgreich abwehrt, oder die aberwitzige Regulierung von Sportwetten, die sogar der Europäische Gerichtshof als europarechtswidrig eingestuft hat – die Vielzahl der noch geschützten Märkte lassen erahnen, welches Wachstumspotential hier schlummert. Liberalisierungen sind Wachstumspakete, die kein Geld kosten. Am Ende profitieren die Verbraucher durch niedrige Preise und innovative Produkte – das ist Soziale Marktwirtschaft!
Welche Folgen haben Liberalisierungen für die Volkswirtschaft und für die Verbraucher? Lesen Sie dazu die Studie (pdf-Download) „Erfolge der Liberalisierung“ von Prof. Justus Haucap im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.
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Autor:
Prof. Dr. Justus Haucap ist Direktor des Duesseldorf Institute for Competition Economics (DICE), Partner der Düsseldorf Competition Economics GmbH und früherer Vorsitzender der Monopolkommission.