Leben auf Pump
Die Staatsschuldenkrise in Griechenland spitzt sich immer weiter zu. Doch auch andere Länder fördern ihr Wachstum auf Pump und vergrößern damit ihren Schuldenberg. Wer spart erntet Kritik. Das wird nicht ewig gut gehen.
Wer sich das Ausmaß der Kreditfinanzierung in den allermeisten Staaten auf diesem Globus anschaut, den müssten Panikattacken befallen. Die Wachstumsrate bei der öffentlichen Verschuldung liegt im Trend stabil über dem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts. Aus diesem Grund erhöht sich der Schuldenstand der meisten Staaten in Relation zum Bruttoinlandsprodukt beständig weiter. Von nachhaltiger Finanzierung kann keine Rede sein, wenn in immer mehr Ländern das Mehrfache einer volkswirtschaftlichen Jahresleistung auf Pump finanziert ist. Und dabei fehlen in der statistisch ausgewiesenen Staatsschuld die immensen Kosten der sozialen Sicherung. Für Renten und Pensionen und die Krankenversicherung alternder Gesellschaften gibt es kaum irgendwo Rücklagen – und wenn, dann stehen diese in keinem Verhältnis zu den immensen Kosten.
Wer sowohl die ausgewiesene, also die explizite Staatsverschuldung, wie auch die in den sozialen Sicherungssystemen versteckte implizite Staatsverschuldung addiert, muss viele Volkswirtschaften dieser Welt als bankrott einstufen. Oder glaubt wirklich jemand an das Märchen, dass gewaltige Produktivitätssprünge durch kluge Köpfe und modernste Technik das volkswirtschaftliche Trendwachstum so steigern, dass es die Ausgabendynamik der Staaten dauerhaft übersteigt? Alternde Gesellschaften müssten sich zu einer nahezu sagenhaften Innovations-Performance aufschwingen, um ein solches Wunder zu vollbringen. Dieses Wunder geschah selbst in den vergangenen Jahrzehnten nicht, als die Volkswirtschaften noch deutlich jünger waren. Wo permanent mehr ausgegeben als durch die volkswirtschaftliche Prosperität erwirtschaftet wird, dort steigt die offene und verdeckte Verschuldung ins Astronomische.
Mit einer ehrlichen Bestandsaufnahme sollte es vernünftigen Politikern leicht fallen, die Öffentlichkeit für eine Sparpolitik zu gewinnen, mit der das Leben auf Pump beendet wird. Doch das genaue Gegenteil ist der Fall. En vogue ist längst die Diskreditierung der angeblichen Austeritätspolitik, die für Armut und wirtschaftliche Depression verantwortlich gemacht wird. Nicht die eigentlichen Brandstifter, die mit einer hemmungslosen Kreditfinanzierung und schier grenzenlosen staatlichen Leistungsversprechungen ein vermeintlich sorgenfreies Leben auf Pump propagieren, werden attackiert. Ziel des Hasses, der nicht nur von der politischen Linken befördert wird, sind diejenigen, die das verfestigte Anspruchsdenken mit Strukturreformen in den Sozialversicherungen und durch Ausgabenkürzungen in den öffentlichen Budgets bekämpfen wollen.
Doch wir leben nicht in Zeiten, in denen das Wünschen noch geholfen hat. Die Realität der nackten Zahlen läßt sich auf Dauer nicht verdrängen. Obwohl gerade die griechische Tragödie tagtäglich beweist, zu welcher Realitätsverweigerung europäische (und deutsche) Politiker imstande sind.
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Autor:
Oswald Metzger ist Botschafter der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Von 1994 bis 2002 gehörte er dem Deutschen Bundestag an. Er ist Geschäftsführer des Konvent für Deutschland.