Lasst die Käufe beginnen!

Das Anleihenkaufprogramm der EZB (dazu hier und hier) steht nach Aussage von EZB-Direktoriumsmitglied Benoît Cœuré bereit. Die Käufe könnten beginnen, sobald ein Land die Bedingungen erfülle. Voraussetzung sei, dass ein Land Anleihen mit unterschiedlicher Laufzeit an den Markt bringe. Irland und Portugal erfüllten diese Bedingungen jedoch noch nicht.

Damit wird, auch wenn noch niemand darüber spricht, dringlicher, was ich schon vor Monaten geschrieben habe: Dem Bundestag steht eine Beschlussfassung über die Programme für Irland und Portugal bevor. Beide Programme laufen aus: Irland im vierten Quartal 2013, Portugal im zweiten Quartal 2014. Die offiziellen Berichte zu beiden Programmen stimmen nicht. Auf die positiv gefärbten Pressemitteilungen der Kommission kann man sich nicht verlassen. Doch kaum jemand macht sich die Mühe die Zahlen zu prüfen (vgl. meine Analysen zu Irland und Portugal).

Klar ist, dass beide Programme aus dem Ruder gelaufen sind. Die Eurogruppenarbeitsgruppe hat deshalb am 21. und 22. Februar darüber diskutiert, wie Irland und Portugal zu helfen ist. Die nachteilige konjunkturelle Entwicklung spielt eine bedeutende Entwicklung. In ihrer erstmals erstellten Winterprognose erwartet die Kommission für Portugal im Jahr 2013 bei einer um 1,9 Prozent schrumpfenden Wirtschaftsleistung eine Verschuldung von 123,9 Prozent. Für 2014 wird ganz optimistisch ein Wachstum von 0,8 Prozent erwartet, was zu einer Verschuldung von 124,7 Prozent führen soll. Dabei schafft es das Programmland selbst 2013 nicht, einen ausgeglichenen Haushalt zu verabschieden: 2013 wird das Defizit 4,9 Prozent betragen. Das Defizit 2014 soll 2,9 Prozent betragen und damit gerade eben innerhalb des Rahmens liegen. Wie wackelig diese Zahl vor der durch nichts begründeten Annahme eines positiven Wachstums ist, muss ich nicht erklären. Selbst wenn: Bei einer Staatsverschuldung von mehr als 120 Prozent reicht ein Defizit von soeben 3 Prozent bei weitem nicht für eine tragfähige Staatsverschuldung aus.

In Irland ist die Lage ähnlich. Auf die Zahlen ist im Einzelnen nicht weiter einzugehen. Es reicht der Hinweis, dass Irland einen eigenen Bankenstresstest im Herbst plant. Experten schließen nicht aus, dass Irlands Banken über die bisherigen 64 Milliarden Euro weiteres Kapital benötigen werden. Bei einer Staatsverschuldung 2013 und 2014 von jeweils nördlich 120 Prozent des BIP kann man sich ausmalen, dass das irische Programm nicht ausreichen wird. Über den verbotenen Kniff mit der monetären Staatsfinanzierung habe ich kürzlich berichtet.

Auf der Agenda steht deswegen die Suche nach Mitteln, mit denen die irischen und portugiesischen Programme so verändert werden können, dass man ihr jeweiliges Scheitern nicht bemerkt. Schon früh habe ich dazu geschrieben: Man wird die Voraussetzungen schaffen, damit die EZB über ihr Anleihenkaufprogramm OMT die Mittel beisteuern kann, die die Staaten entweder aus ökonomischen Gründen nicht aufbringen können oder aus politischen Gründen nicht aufbringen wollen. Es steht jedenfalls fest, dass es keine nominale Mittelerhöhung geben wird. Dadurch würde klar werden, dass Griechenland keineswegs ein Sonderfall ist. Stattdessen diskutieren die Finanzminister eine Laufzeitverlängerung der Programme. Die Rückzahlungsfristen könnten gestreckt werden. Vor allem wird man die Voraussetzungen für das Eingreifen der EZB schaffen. Dazu werden die Programme nicht nur verlängert werden müssen. Meine Vermutung ist weiterhin, dass die Programme um Instrumente zum Tätigwerden am Primärmarkt erweitert werden. Die Schuldenschirme werden den verbleibenden Rest der Finanzhilfen nicht in Form von Darlehen ausschütten. Die Mittel werden zum Ankauf von Anleihen am Primärmarkt umgewidmet. So kann das Volumen der Rettungsmittel gleichbleiben, während durch diesen Eingriff gleichzeitig ein aktiver Anleihenmarkt für die verschiedenen Laufzeiten geschaffen wird. Dies ist natürlich kein echter Marktzugang. Doch er reicht auf dem Papier aus, um die von der EZB für ihr eigenes Kaufprogramm OMT geforderten Bedingungen zu erfüllen. Die EZB wird dann im Einklang mit ihrem OMT-Programm am Sekundärmarkt irischer und portugiesischer Anleihen auf Einkaufstour gehen. Der Effekt ist völlig klar: Mit der Druckerpresse werden die klaffenden Lücken der gescheiterten Programme verdeckt!

Das Zusammenspiel zwischen EZB und Eurogruppe ist bedenklich. Eine Abrede zwischen beiden lässt sich zwar nicht nachweisen. Doch handeln beide eindeutig im koordinierten Konzert. Im Kartellrecht spräche man von verbotenem abgestimmten Verhalten. Die EZB ist eindeutig Akteur im politischen Diskurs. Eben erst hat ihr Präsident Draghi wieder eine politische Union gefordert. Doch es ist nicht Aufgabe einer sich als unabhängig bezeichnenden Zentralbank politische Handlungsempfehlungen abzugeben. Draghi hat sich in seiner jüngsten Rede sogar eines Zitats von Eucken bedient: „As Walter Eucken, the philosophical father of ordoliberalism, noted, “all efforts to establish a liberal order are futile unless a certain monetary stability is guaranteed. Monetary policy therefore has a primary importance for the liberal order.” Wenn Draghi sich dies nur zu Herzen nähme!

Das einzig Gute an dem acting in concert von Politik und Zentralbank ist, dass der Bundestag die Programmverlängerungen und die Ausdehnung der Instrumente um Primärmarktinterventionen genehmigen muss. Ein solcher Beschluss ist gleichbedeutend mit der Aufforderung an die EZB, monetäre Staatsfinanzierung zu betreiben. Das wird sich nicht verschleiern lassen. Durch solche Transparenz wird eindeutig, wer die politische Verantwortung für diesen ökonomischen Frevel unter Bruch der europäischen Verträge tragen muss.

Dieser Beitrag ist zuerst im Newsletter von Frank Schäffler erschienen.

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Frank Schäffler war bis 2013 Abgeordneter der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag.

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