Konjunkturpolitik auf Abwegen

Jetzt ist die Katze aus dem Sack: Nächstes Jahr sind 100 Milliarden Euro Neuverschuldung im Bundeshaushalt vorgesehen. Dass sich ein so erfahrener und intelligenter Mann wie Wolfgang Schäuble als Finanzminister dazu hergibt, diese expansive Haushaltspolitik als Wachstumsstimulans zu verkaufen, irritiert mich maßlos. Ich kann und will nicht glauben, dass Volksverdummung jetzt zum Repertoire der bürgerlichen Fiskalpolitik gehört. Sachverständigenrat, Forschungsinstitute und Bundesrechnungshof haben ihr Verdikt der Regierung ja längst ins Stammbuch geschrieben: Mit kreditfinanziertem Hotellerie-Rabatt bei der Mehrwertsteuer und einer kreditfinanzierten Kindergelderhöhung schafft man keine Wachstumsimpulse, sondern Mitnahmeeffekte, die von der ganzen Volkswirtschaft teuer bezahlt werden müssen.

Wer die „Wachstumsressorts“ im Regierungsentwurf ins Blickfeld nimmt, dem stockt der Atem. Weil die Leistungsausgaben steigen und die Bundeskasse im Obligo ist, dürfen das Gesundheitsministerium und das Ressort für Arbeit und Soziales mehr als 39% respektive knapp 15% mehr ausgeben als im Vorjahr. Die konsumtiven Ausgaben explodieren, die Investitionen dagegen stagnieren auf dem äußerst bescheidenen Niveau des Vorjahres. Ein Viertel des Haushalts 2010 ist kreditfinanziert. Nominal macht die bürgerliche Koalition in einem einzigen Jahr so viele Schulden wie diverse Regierungen der Bundesrepublik in einem ganzen Vierteljahrhundert – zwischen 1949 und 1973. Schuldenfinanzierte Konjunkturpolitik – und das auch mit den falschen Prioritäten. Hier muss dringend umgesteuert werden.

Autor:

Oswald Metzger ist Botschafter der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Von 1994 bis 2002 gehörte er dem Deutschen Bundestag an. Er ist Geschäftsführer des Konvent für Deutschland.

Datum:
Themen:

Das könnte Sie auch interessieren