Klimaschutzprogramm 2030: Gute Ansätze, falsche Anreize

Anreize versus Verbote – was begrenzt den Klimawandel effizienter? Das Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung beinhaltet sowohl als auch. Aber wie wirksam sind die vorgelegten Maßnahmen? Und was sind die Folgen für die Verbraucher?

Das Klimakabinett hat im September das mit Spannung erwartete Klimaschutzprogramm zur Erreichung des Klimaschutzziels für das Jahr 2030 vorgelegt. Demnach sollen die Treibhausgasemissionen in Deutschland bis dahin um 55 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 gesenkt werden. Ein Kernelement des Klimaschutzprogramms ist die Bepreisung von Kohlendioxid (CO2) ab dem Jahr 2021. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn sämtliche hierzu veröffentlichten Studien zu dem einheitlichen Schluss kommen, dass mit einer CO2-Bepreisung allein das Klimaschutzziel für das Jahr 2030 nicht erreicht werden kann.

Nach ökonomischer Theorie ist ein global einheitlicher CO2-Preis Garant für kosteneffizienten Klimaschutz. Das bestehende Sammelsurium an unkoordinierten Einzelmaßnahmen führt hingegen zu unnötig hohen Kosten. Die Prämien für Elektrofahrzeuge sind ein prominentes Beispiel für allerlei teure Maßnahmen der Politik, bei denen letztlich sogar unklar bleibt, ob sie überhaupt emissionsmindernd wirken.

Würden derartige Maßnahmen künftig unterlassen und würde man stattdessen vorwiegend auf den CO2-Preis setzen, könnten Emissionsziele kostengünstiger erreicht werden. Man könnte diese Ziele sogar mit Sicherheit erreichen, wenn das CO2-Preissignal mit Hilfe des Emissionshandels etabliert würde. Eine CO2-Steuer hätte hingegen den gravierenden Nachteil, dass unklar bleibt, wie hoch die damit erzielbare CO2-Einsparung ausfällt.

Daher ist es sehr zu begrüßen, dass die CO2-Bepreisung laut Klimaschutzprogramm mittels eines Emissionshandelssystems umgesetzt werden soll. Allerdings soll dieses System lediglich zwei Sektoren umfassen: den Straßenverkehr und den Gebäudesektor. Der hochsubventionierte Bereich der Landwirtschaft, der für große Mengen des klimapotenten Methangases verantwortlich ist, bleibt bedauerlicherweise ebenso unberührt wie die übrigen nicht in den EU-Emissionshandel integrierten Sektoren, etwa die Abfallwirtschaft.

Darüber hinaus wäre es ratsam, anstatt ein isoliertes nationales Emissionshandelssystem zu etablieren, die noch nicht in den EU-Emissionshandel integrierten Sektoren einzubinden und einen entsprechenden Opt-in-Antrag an die EU-Kommission zu stellen. Im Falle eines positiven Bescheides würde das EU-rechtlich verbindliche Treibhausgasminderungsziel für die nicht integrierten Sektoren entfallen, da dann deren Emissionen durch den EU-Emissionshandel gedeckelt würden.

Dies wäre unter Kosteneffizienzgesichtspunkten sehr zu begrüßen, da jedes Extraziel für einzelne Sektoren die Emissionsvermeidung teurer macht als die Verfolgung eines einzigen EU-weiten Gesamtziels. Eine Integration in den EU-Emissionshandel wäre umso wünschenswerter, da das nationale Treibhausgasminderungsziel für die noch nicht in den EU-Emissionshandel integrierten Sektoren von minus 38 Prozent für das Jahr 2030 gegenüber 2005 sehr ambitioniert ist. Bis zum Jahr 2018 konnten die Emissionen dieser Sektoren um lediglich 11,4 Prozent gegenüber 2005 gesenkt werden.

Bei Etablierung eines nationalen Emissionshandelssystems für den Wärmesektor und den Straßenverkehr muss wegen der für diese Bereiche erwarteten hohen CO2-Vermeidungskosten zudem befürchtet werden, dass sich schnell hohe Zertifikatpreise einstellen könnten. Es ist daher positiv zu bewerten, dass dies für die Jahre 2021 bis 2025 dadurch ausgeschlossen wurde, dass der CO2-Preis auf jeweils 10, 20, 25, 30 und 35 Euro je Tonne fixiert wurde. Damit mutiert der Emissionshandel in diesen Jahren de facto zu einer CO2-Steuer. Um die Verbraucher nicht über Gebühr zu belasten, wurde darüber hinaus für die im Jahr 2026 beginnende Versteigerung von Emissionszertifikaten ein Höchstpreis von 60 Euro festgelegt. Mit der Fixierung der Zertifikatpreise auf anfänglich sehr moderaten Niveaus sollte außerdem gewährleistet sein, dass die gegenwärtig hohe Akzeptanz der Bürger für das Instrument der CO2-Bepreisung nur wenig schwindet.

Dennoch ist zu erwarten, dass auch von diesen moderaten CO2-Preisen eine Lenkungswirkung ausgeht: Im Wissen darüber, dass der Verbrauch fossiler Brenn- und Kraftstoffe wie Heizöl, Benzin und Diesel infolge der CO2-Bepreisung sukzessive teurer wird, werden sich rationale Verbraucher beim nächsten Kauf eines neuen Autos oder beim Wechsel ihres Heizungssystems für CO2-arme beziehungsweise energieeffiziente Varianten entscheiden. So ist es angesichts der erwartbaren jährlichen Verteuerung von Heizöl durch die CO2-Bepreisung kaum mehr vorstellbar, dass der Besitzer eines Hauses mit Ölheizung sich beim Ersatz eines kaputten oder über 30 Jahre alten Ölbrenners erneut für einen Ölbrenner entscheiden wird, es sei denn, es gibt keine Alternativen wie den Anschluss an ein Erdgas- oder Fernwärmenetz. Ebenso werden ungeachtet der Schwankungen des Rohölpreises immer weniger Investoren in neue Eigenheime einer Ölheizung den Vorzug gegeben, wenn infolge der CO2-Bepreisung Heizöl im Vergleich zu CO2-ärmeren Alternativen immer teurer wird. Dazu bedürfte es wohl nicht des vorgesehenen Verbotes für neue Ölheizungen ab dem Jahr 2026.

Weit weniger in die richtige Richtung als die vorgesehene CO2-Bepreisung geht jedoch die Rückverteilung der daraus resultierenden Einnahmen an die Bürger. Statt diese den Verbrauchern komplett zurückzugeben, etwa indem damit die Stromsteuer sukzessive gesenkt wird, soll mit dem Geld ein bunter Strauß an „Klimaschutzfördermaßnahmen“ finanziert werden. Von der zuvor vielfach vollmundig in Aussicht gestellten gänzlichen Rückverteilung soll lediglich eine moderate Senkung der EEG-Umlage um 0,25, 0,5 beziehungsweise 0,625 Cents je Kilowattstunde in den Jahren 2021 bis 2023 übrig bleiben.

Stattdessen soll die mit einem Sammelsurium an Einzelmaßnahmen betriebene Klientelpolitik, die die Emissionsvermeidung gerade so teuer macht, künftig sogar noch in verstärkter Weise fortgesetzt werden. Das Paradebeispiel in dieser Hinsicht ist die Prämie für Elektrofahrzeuge, die nun von 4.000 auf 6.000 Euro je reines Elektromobil erhöht wurde und hälftig jeweils von der Automobilindustrie und dem Staat finanziert wird. Die Laufzeit dieses Förderprogramms für die individuelle Mobilität von tendenziell eher gut situierten Haushalten wurde bis zum Jahr 2025 verlängert.

Der zweite gravierende Schritt in die völlig falsche Richtung ist die Ergreifung regulatorischer Maßnahmen, die einer wünschenswerten Technologieoffenheit zuwiderlaufen, allen voran das Verbot von Ölheizungen ab dem Jahr 2026. Einmal mehr maßt sich die Politik damit an zu wissen, welchen Technologien die Zukunft gehört, und die daher mit viel Geld gefördert werden, und welche Technologien keine Zukunft haben und deshalb mit einem Verbot belegt werden. Die teuren Fehler der Vergangenheit, etwa der Bau von Kernkraftwerken auf Geheiß der Politik, obwohl Kohlekraftwerke weitaus kostengünstiger waren, scheinen längst vergessen zu sein.

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Autor:

Prof. Dr. Manuel Frondel ist außerplanmäßiger Professor für Energieökonomik und angewandte Ökonometrie an der Ruhr-Universität Bochum und Leiter des Kompetenzbereichs „Umwelt und Ressourcen“ am RWI.

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