Japan zeigt: Der Preis geldpolitischer Rettungsaktionen ist hoch
Die expansive Geldpolitik der EZB lässt Befürchtungen aufkommen,dass die Inflation steigen könnte. Am Beispiel Japans zeigt sich, dass eine größere Geldmenge nicht zwangsläufig zu steigenden Inflationsraten führt. Doch frisches Geld gibt es nicht zum Nulltarif. Die Kosten fallen nur woanders an.
Mit historisch niedrigen Zinsen und dem Beschluss der Europäischen Zentralbank mehr Staatsanleihen von Krisenländern aufzukaufen steigt in Deutschland die Angst vor Inflation. Inflation bewirkt – wie wir alle wissen – reale Einkommensverluste und Umverteilung zum Beispiel von Gläubigern zu Schuldnern. Allerdings sind trotz immenser monetärer Expansion seit der Jahrtausendwende im Eurogebiet keine starken inflationären Tendenzen sichtbar geworden. Der europäische Zentralbankpräsident Draghi wertet dies als Zeichen einer erfolgreichen Geldpolitik.
Viele warnende Stimmen kündigen einen baldigen Anstieg der Inflationsraten an. Doch Japan zeigt, dass monetäre Expansion in Form von Nullzinspolitik und unkonventioneller Geldpolitik nicht zwingend zu Inflation führt. Doch es kommt auch ohne Inflation zu Umverteilung und realen Einkommensverlusten für den Haushaltssektor. Japan hat in der zweiten Hälfte der 80er Jahre – getrieben von einer übermäßigen geldpolitischen Lockerung – einen Spekulationsboom auf den Aktien- und Immobilienmärkten erlebt. Das Platzen der Blase hat – ähnlich wie derzeit in Europa – eine noch stärkere monetäre Lockerung ausgelöst. Die Leitzinsen wurden von über 8% im Jahr 1990 auf Null im Jahr 1999 gesenkt. Seitdem verharren die Leitzinsen am Nullpunkt, ohne dass dadurch Preise oder Output merklich gestiegen wären.
Der wichtigste Transmissionskanal für die Überwälzung der Kosten der geldpolitischen Lockerung bei mäßiger Inflation sind sinkende Reallöhne und sinkende Zinseinkommen. Bei Lohnverhandlungen sind Rezession und steigende Staatsverschuldung wichtige Argumente, um Forderungen der Gewerkschaften nach Lohnerhöhungen im privaten und öffentlichen Sektor einzudämmen. Ein weiteres leistet die Nullzinspolitik, die die nominalen und realen Zinseinkünfte des Haushaltssektors drastisch schrumpft. Hingegen werden die realen Zins- und Lohnlasten von Staat und Unternehmen als Nettoschuldnern auf Kapitalmärkten vermindert. Es wird also kräftig auf Kosten der Haushalte umverteilt!
Die Abbildung zeigt die Entwicklung der beiden Einkommenskomponenten in Japan seit dem Jahr 1985, als die Blase auf den Aktien- und Immobilienmärkten ihren Anfang nahm. Während die Euphorie auf den Anlagemärkten zunächst einen starken Anstieg der Lohn- und Zinseinkommen bewirkte, haben sich die Einkommen aus Zinsen – die für die Alterssicherung in Japan eine wichtige Rolle spielen – seit dem Platzen der Blase halbiert. Sie sind weit unter das Niveau von vor der Krise gefallen. Die realen Lohneinkünfte sinken seit der japanischen Finanzmarktkrise im Jahr 1998 durchschnittlich um ein Prozent pro Jahr.
Folgt die Europäische Zentralbank dem wirtschaftspolitischen Kurs Japans (was sich derzeit abzeichnet), könnte ein ähnlicher Trend die Folge sein. Besonders schmerzlich wären die Einschnitte für die Haushalte in Deutschland. Die haben schon 15 Jahre lang mit Lohnzurückhaltung Opfer gebracht. Nun werden nicht nur die realen Einkünfte aus den Löhnen und Ersparnissen weiter reduziert, sondern es wird auch durch Rettungspakete und geldpolitische Rettungsaktionen aller Art von Deutschland in die europäischen Krisenländer umverteilt. Die deutschen Haushalte sollten sich deshalb auch ohne stark steigende Inflation dauerhaft auf Einschnitte gefasst machen.
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Autor:
Prof. Dr. Gunther Schnabl ist Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig.