Irland – Als Tiger gesprungen, als Bettvorleger gelandet

Irland soll Unterstützung für einen „weichen Übergang“ zur Rückkehr an den Kapitalmarkt erhalten. Irland sei auf einem guten Weg, sich zu erholen. Dazu brauche es nur ein wenig Hilfe durch die Rettungsschirme. Man überlege, Irland zu helfen, indem man Teile einer irischen Emission von langfristigen Staatsanleihen durch die Rettungsschirme übernehme. Das Programm müsse nicht ausgeweitet werden.

Diese Nachrichten klingen gut. Sie erwecken den Eindruck, Irland hätte die Ziele des Anpassungsprogramms erfüllt und könne vorzeitig an den Kapitalmarkt zurückkehren. Doch verändert hat sich in Wahrheit nichts. Gehen wir den Dingen auf den Grund: Gestern hat das irische Finanzministerium gemeldet, dass man härtere Einschnitte im Budget vornehmen müsse, um das Ausbleiben von Steuereinnahmen wettzumachen . Irland ist weniger stark gewachsen als erwartet. Dabei ist Irland ohnehin eines der Länder mit dem höchsten Defizit – dieses Jahr beträgt es 8,4 Prozent. Für 2013 nimmt man sich ein Haushaltsdefizit von 7,5 Prozent des BIP vor . Die mittelfristige Finanzplanung muss nun revidiert werden. Das von der irischen Regierung erwartete Wirtschaftswachstum 2013 soll nun statt vormals 2,4 Prozent lediglich 1,5 Prozent betragen. Das ist die Hälfte der ursprünglichen Planung. Noch im September hat die Kommission in ihrem Bericht zum irischen Anpassungsprogramm ein Wachstum 2013 von 1,4 (statt zuvor 1,9) Prozent prognostiziert. Selbst diese revidierte Planung wird nun untertroffen. Inzwischen plant die EU-Kommission sogar nur mit einem Wachstum von 1,1 Prozent.

Es überraschte nicht, wenn auch dies vor dem Hintergrund des sich verschärfenden Konjunktureinbruchs noch zu hoch gegriffen wäre. Wirtschaftlich steht Irland also nicht besser als zuvor da. Die wirtschaftliche Entwicklung kann folglich nicht der Grund für die vorgeschützte Zuversicht sein. Im Gegenteil: Irland liegt deutlich hinter dem prognostizierten Wachstum zurück. Das ihm zugesagte Programm kann nicht mehr reichen. Es geht also darum, neue Quellen zur Finanzierung der höher als geplanten Verschuldung aufzutun.

Und damit kommen wir zu des Pudels Kern. Die Übernahme eines Teils einer Emission von langlaufenden Staatsanleihen durch ESM oder EFSF bedeutet zwar keine quantitative Ausweitung des irischen Programms, allerdings aber eine qualitative Änderung. Es geht um die Zeichnung von Staatsanleihen auf dem Primarmarkt. Dabei handelt es sich um eine Änderung der Instrumente, mit denen Finanzhilfen an Programmländer gewährt werden können. Für Irland ist bisher nur eine Kreditlinie vereinbart, die in Tranchen ausgezahlt wird. Primärmarktgeschäfte sollen dazu kommen.

Die Erweiterung um ein Primärmarkt-Programm hätte eine entscheidende Konsequenz: Die EZB hat zur Voraussetzung für ihre angekündigten Anleihenaufkäufe auf dem Sekundärmarkt (OMT) gemacht, dass EFSF/ESM Primärmarkt-Programme durchführen dürfen. Primärmarktgeschäfte für Irland öffnen daher die Tür zur Intervention durch die EZB. Damit hätten die Rettungseuropäer einen neuen Finanzier im irischen Boot, nämlich die Zentralbank samt ihrer „unbegrenzten Feuerkraft“. Auf diese geschickte Weise hätte man den Nimbus Irlands, das Land sei Musterknabe bei den Konsolidierungsbemühungen ebenso geschont wie die Kapazitäten der Rettungsschirme. Das macht alle Rettungseuropäer zufrieden, weil die Hilfspakete größer werden, ohne dass dies für die Bürger auf den ersten Blick sichtbar wird. Erst beim genauen Hinsehen merkt man, dass die Lage verzwickter wird – nicht besser!

Entscheidend sind die irischen Zukunftsaussichten. Irland profitiert allein von seinen Exporten als Wachstumstreiber. Wenn das Wachstum der Eurozone und der Weltwirtschaft geringer als erwartet ausfällt, wird sich das durch erneut schlechtere Zahlen bemerkbar machen. Doch der Schuldenstand Irlands soll nächstes Jahr bei enormen 122,5 Prozent seinen Gipfel erreichen. Weitere Abweichungen nach unten beim Wachstum und nach oben beim Defizit könnten den Musterknaben Irland schon bald entzaubern – der Schuldenstand würde deutlich steigen. Ein erster Hinweis auf die drohende Wirtschaftsentwicklung kommt vom irischen Central Statistics Office (CSO). Der Output der breit gefassten Industrieproduktion (Bergbau, Energieversorgung und Verarbeitendes Gewerbe) ist im September 2012 um satte -12,8% zum Vorjahresmonat gesunken. Das Verarbeitende Gewerbe (Manufacturing) brach sogar um -13,7% zum Vorjahresmonat ein.

Die Zeche der Rettungspolitik muss gezahlt werden. Die Lebensversicherungsunternehmen leiden unter dem sehr niedrigen Zinsniveau. Dies wird sich auf absehbare Zeit nicht ändern. Deshalb brauchen die Lebensversicherungen mehr Flexibilität bei der Verwendung ihrer Überschüsse. Genau dies hat der Deutsche Bundestag in dieser Woche beschlossen. Damit wird allerdings die Ursache nicht behoben, sondern an den Symptomen herumgedoktert. Doch das Fieber bleibt.

Autor:

Frank Schäffler war bis 2013 Abgeordneter der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag.

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