Investitionsprotektionismus zum Schutz der Marktwirtschaft?
Deutschland reagiert mit Investitionskontrollen auf die steigende Sorge vor staatsgelenkten oder -finanzierten Investitionen chinesischer Unternehmen. Die Eingriffe sollten jedoch nur bedacht eingesetzt werden, meinen Christoph J. Stresing und Daniel Wiedmann.
Innerhalb einer Woche hatte die Bundesregierung gleich zwei Investitionen chinesischer Unternehmen im Ergebnis verhindert: Ende Juli wurde der Einstieg der State Grid Corporation of China beim Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz unterbunden, indem die KfW den zum Verkauf stehenden 20-prozentigen Anteil erworben hat. Und Anfang August ermächtigte die Bundesregierung das Bundeswirtschaftsministerium, den geplanten Einstieg von Yantai Tahai bei der Leifeld Metal Spinning AG zu untersagen, woraufhin Yantai Tahai das Angebot zurückzog und die Übernahme platzte.
Bruch in Anwendungspraxis des Außenwirtschaftsrechts
Auch wenn diese Entwicklungen sich bereits abgezeichnet haben, markieren sie dennoch einen bemerkenswerten Bruch in der bisherigen Anwendungspraxis des Außenwirtschaftsrechts. Zwar wurde dieses zuletzt etwas verschärft, die Eingriffsbefugnisse der Bundesregierung haben sich aber nicht geändert: Der Erwerb von mindestens 25 Prozent der Stimmrechte an einem deutschen Unternehmen kann untersagt werden, um die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten. Was sich geändert hat, ist, dass die Begriffe öffentliche Ordnung und Sicherheit deutlich weiter ausgelegt werden. Anlass hierfür ist vor allem die Sorge vor staatsgelenkten oder -finanzierten Investitionen chinesischer Unternehmen in Deutschland, insbesondere im Zusammenhang mit der staatlichen Investitionsstrategie Made in China 2025.
Bei der gegenwärtigen Fokussierung auf einen befürchteten „Ausverkauf“ der deutschen Wirtschaft und einem damit einhergehenden Verlust industrieller Kernkompetenz und innovativer Zukunftstechnologien an chinesische Unternehmen drohen allerdings wichtige Aspekte aus dem Blickfeld zu geraten. Ein Schlüssel für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit liegt im Schutz und in der Stärkung der marktwirtschaftlichen Ordnung. Das beinhaltet den Schutz von Privateigentum und Vertragsfreiheit, nicht aber den Schutz von Technologien. Zum geschützten Bereich gehört insbesondere das grundsätzliche Recht von Unternehmenseignern, ihr Unternehmen zu veräußern.
Ist es angesichts der steigenden Investitionsaktivitäten Chinas naiv, gar fahrlässig, sich auf marktwirtschaftliche Überzeugungen zu verlassen? Sämtliche Überlegungen in diesem Kontext stehen stets im Spannungsfeld zwischen der Offenheit der Märkte und einem freien Kapital- und Güterverkehr einerseits und Protektionismus und Abschottung andererseits. Deutsche Investoren kontrollieren mehr als 37.000 Unternehmen im Ausland, umgekehrt profitiert der deutsche Arbeitsmarkt von ausländischen Investitionen, die hier mehr als drei Millionen Arbeitsplätze geschaffen haben. In China haben deutsche Unternehmen 70 Milliarden Euro investiert; umgekehrt sind es vier Milliarden Euro, die seitens China in Deutschland investiert sind. Es steht also viel auf dem Spiel. Gerade in Zeiten eines zunehmenden Investitionsprotektionismus sollte Deutschland seine Glaubwürdigkeit als Verfechter offener und freier Märkte nicht gefährden.
Investitionskontrolle nach Augenmaß
Bei weiteren legislativen Maßnahmen und in der Anwendungspraxis im Bereich der Investitionskontrolle sollte daher Augenmaß bewahrt werden. Die geplante Absenkung der Aufgreifschwelle von derzeit 25 Prozent ist daher kritisch zu hinterfragen. Schließlich ist nicht einleuchtend, wie ohne Möglichkeit einer Einflussnahme durch einen Erwerb die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet sein könnte.
Zudem sollten die Generalklauseln öffentliche Sicherheit und Ordnung weiterhin eng ausgelegt werden. Eine Gefährdung sollte nur dann geltend gemacht werden können, wenn eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, wie dies auch die bisherige Rechtsprechung verlangt. Andernfalls droht die Gefahr, dass die Investitionskontrolle als Mittel der Industriepolitik missbraucht wird.
Eskalationsspirale durch verschärfte Investitionskontrolle
Schließlich steht zu befürchten, dass die verschärfte Investitionskontrolle in den USA und Deutschland weltweit Nachahmer findet. Einige Anzeichen hierfür gibt es bereits, es droht eine Eskalationsspirale. Am Ende einer solchen Entwicklung gibt es keine Gewinner, sondern nur Verlierer. Die exportorientierte deutsche Volkswirtschaft wäre in besonderem Maße davon betroffen.
Gerade angesichts der derzeitigen protektionistischen Tendenzen wäre eine klare ordnungspolitische Haltung Deutschlands wünschenswert, die auch international Vorbild sein könnte. „Ebenso wie beim Fußballspiel der Schiedsrichter nicht mitspielen darf, hat auch der Staat nicht mitzuspielen“, forderte Ludwig Erhard einst unzweideutig. Im Jubiläumsjahr der Sozialen Marktwirtschaft sollten diese Prinzipien nicht nur in Sonntagsreden hochgehalten werden, sondern sich auch und gerade im politischen Handeln widerspiegeln.
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Autor:
Christoph J. Stresing und Daniel Wiedmann Christoph J. Stresing ist stellvertretender Geschäftsführer und Leiter politische Kommunikation des Bundesverbandes Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften e.V. (BVK). Daniel Wiedmann, ist Rechtsanwalt und Counsel bei der Kanzlei P + P Pöllath + Partners in Frankfurt am Main.