Inflation ist die Enteignung durch den Staat
Das einfachste Mittel für Regierungen sich ihren Staatsschulden zu entledigen ist Inflation. Doch die Entwertung des Geldes hat starke Nebenwirkungen. Darunter leiden vor allem die Armen.
Das Statistische Bundesamt hat in dieser Woche die Inflationsrate veröffentlicht. Man könnte meinen: alles wird gut! 2012 lag sie noch bei 2 Prozent, 2013 nur noch bei 1,5 Prozent.
Inflation fällt nicht vom Himmel, sondern hat immer ihre Ursache in der Geldpolitik der Notenbanken. Die EZB plant ihre Geldpolitik mit einer mittelfristigen Entwertung von 2 Prozent pro Jahr. Das bedeutet im „Idealfall“ eine Enteignung von einem Drittel in 20 Jahren, 45 Prozent in 30 Jahren und 55 Prozent in 40 Jahren. Doch wie berechnet sich eigentlich die Inflationsrate und ist sie wirklich ein verlässlicher Indikator für jeden Einzelnen? Und welche Folgen hat diese Planwirtschaft des Geldes? Geht es allen gleich gut, wenn die Notenbanken den Zins und die Geldmenge manipulieren, um damit 2 Prozent Inflation zu produzieren?
Das Statistische Bundesamt misst die Inflationsrate als Anstieg des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HPVI). Dieser „misst die durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen, die von privaten Haushalten für Konsumzwecke gekauft werden.“
Doch es gibt nicht die Durchschnittsfamilie, den Durchschnittsrentner oder den Durchschnittsstudenten. Jeder ist anders und konsumiert anders. Der eine isst jeden Tag Fleisch, der andere ist Vegetarier und mag lieber Gemüse. Einer trinkt Wein, ein anderer bevorzugt lieber ein kühles Bier und ein weiterer trinkt gar keinen Alkohol. Diese Individualität pressen die Bürokraten im Amt in Wiesbaden in eine Zahl – Jahr für Jahr.
Aber nicht nur das. Viel entscheidender ist die Tatsache, dass die Inflationsrate der Orientierungspunkt der EZB für die Vermehrung der Geldmenge und damit der Entwertung des Geldes ist.
Denn diese Vermehrung der Geldmenge hat nicht nur Folgen für die Sparer, sondern auch für Investoren, Steuerzahler, Konsumenten, Unternehmer, Rentner, Schüler und Studenten, Banker, Arbeitnehmer, Beamte und alle anderen am Gesellschaftsleben beteiligten. Denn deren Preise, die sie im täglichen Leben bezahlen, erhöhen sich.
Dieser Sachverhalt ist nicht neu. Bereits der irische Ökonom Richard Cantillon (1680-1734) untersuchte die Folgen einer Veränderung der Geldmenge für die Marktteilnehmer. In seinem postum veröffentlichten Werk „Abhandlung über die Natur des Handels im allgemeinen“ beschreibt Cantillon, welche Auswirkungen eine Geldmengenerhöhung auf die Geldhalter hat. Keineswegs ist dieser Vorgang – die Inflation – für alle Geldhalter gleichermaßen von Vorteil.
„Wenn die Vermehrung des Bargeldes von Gold- oder Silberminen ausgeht, die sich in einem Staate befinden, so werden der Eigentümer dieser Minen, die Unternehmer, die Schmelzer, die Raffinierer und überhaupt alle jene, die dort arbeiten, jedenfalls ihre Ausgaben entsprechend ihren Gewinnen erhöhen. Sie werden in ihren Haushalten mehr Fleisch und mehr Wein oder Bier verbrauchen als früher, sie werden sich daran gewöhnen, bessere Kleidung und schönere Wäsche zu tragen, besser eingerichtete Häuser und andere erlesenere Bequemlichkeiten des Lebens zu besitzen. Sie werden daher einigen Handwerkern Beschäftigung geben, die vorher nicht soviel Arbeit hatten und die nun aus dem gleichen Grund auch ihre Ausgaben erhöhen werden; alle diese Vermehrungen der Ausgaben für Fleisch, Wein, Wolle usw. vermindern notwendig den Anteil der anderen Bewohner des Staates, die zunächst nicht an den Reichtümern der fraglichen Minen teilnehmen.“
Die Erkenntnis von Cantillon ist heute noch gültig. Durch eine steigende Geldmenge erhöhen sich die Preise nicht gleichzeitig, sondern sehr unterschiedlich. Davon profitieren der Staat über seine Notenbank und die Geschäftsbanken, die das frische Geld durch die Kreditvergabe schaffen. Sie können mit dem neuen Geld sofort arbeiten und Gewinne erzielen. Die Bürger können dies nicht. Sie müssen die Geldmengensteigerung durch höhere Preise für Konsum- und Vermögensgüter bezahlen.
Sie können dies sehr gut an ihrer eigenen Lohntüte und an dem abmessen, was am Ende des Monats übrigbleibt. Daher gilt: Inflation ist immer die Enteignung durch den Staat und eine Umverteilung von unten nach oben.
Autor:
Frank Schäffler war bis 2013 Abgeordneter der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag.