In Zeiten Trumps auf multinationale Abkommen setzen
Statt auf multinationale Abkommen und Freihandel setzt der neue Präsident der USA auf bilaterale „Deals“. Trotzdem sollten Deutschland und die EU weiterhin multilaterale Abkommen mit Handelspartner USA verhandeln, meinen Susanne Cassel und Tobias Thomas von der gemeinnützigen Politikberatung Econwatch.
Der folgende Policy-Brief (.pdf) entstand auf Grundlage des Econwatch-Meetings „Nach der US-Präsidentenwahl – wie weiter mit den transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen?“ mit Prof. James D. Bindenagel (Universität Bonn). Das Video wurde im Vorfeld der Veranstaltung aufgenommen.
Am 20. Januar 2017 ist Donald Trump als 45. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt worden. Nach wie vor herrscht große Unsicherheit darüber, was von seiner Präsidentschaft zu erwarten ist. Angekündigt hat er ein umfangreiches Programm zur Belebung der Wirtschaft mit massiven Steuersenkungen sowie hohen Investitionen in Rüstung und Infrastruktur. Finanziert werden soll es durch eine deutliche Ausweitung der schon heute sehr hohen Staatsverschuldung. Besonders besorgniserregend für Exportnationen wie Deutschland sind die angekündigten handelspolitischen Maßnahmen. Käme es zu einem globalen Handelskonflikt, hätte dies schwerwiegende Folgen für die Weltwirtschaft. Um negative wirtschaftliche Auswirkungen für die Weltwirtschaft zu vermeiden, sollten sich die Bundesregierung und die EU-Kommission weiterhin konsequent für multilaterale Handelsbeziehungen einsetzen. Mit den USA sollten sie versuchen, einen konstruktiven Dialog zu führen.
Die ersten 100 Tage des neuen US Präsidenten haben wenig Klarheit darüber gebracht, was inhaltlich von ihm zu erwarten ist. Klar ist hingegen, dass er an dem populistischen Politikstil festhält, den er bereits im Wahlkampf eingesetzt hat. Teil dieses Politikstils ist auch die vermeintlich gezielt eingesetzte Unberechenbarkeit, die es umso schwerer macht, den neuen Präsidenten einzuschätzen. Und schließlich zeichnet sich sein Politikstil dadurch aus, in „Deals“ zwischen jeweils zwei Vertragspartnern zu denken, wie er dies aus seinem bisherigen Berufsfeld kannte. Nicht nur die Medien, sondern auch Institutionen wie die Judikative und die Geheimdienste haben diesen neuen Politikstil bereits zu spüren bekommen. Inwiefern dies die demokratischen Institutionen in den USA dauerhaft beschädigt, wird sich noch zeigen. Allemal ist der Politikstil des neuen Präsidenten ein Stresstest für die Demokratie. Er stellt das US-Modell der Checks-and-Balances vor große Herausforderungen.
Im Bereich der Handelspolitik hat sich der neue Präsident bereits relativ klar positioniert. So möchte er das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA zwischen den USA, Kanada und Mexiko neu verhandeln, da es ein „schlechter Deal“ für die USA sei. Kurz nach seinem Amtsantritt hat er einen Erlass unterzeichnet, mit dem die USA aus der Transpazifischen Partnerschaft TPP aussteigen. Dieses von der Vorgänger-Administration unterzeichnete Freihandelsabkommen umfasste einen Großteil des asiatisch-pazifischen Raums, dessen Anteil an der globalen Wirtschaftsleistung gut 13 Prozent beträgt. Ob die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP eine Zukunft hat, ist noch offen. Genauso bleibt abzuwarten, ob der neue Präsident seine Drohung wahrmacht, dass die USA aus der Welthandelsorganisation WTO austreten.
Statt auf multilaterale Abkommen will der neue Präsident auf bilaterale Verträge setzen, von denen er sich bessere Konditionen für die US-Wirtschaft erhofft. Dies illustriert das Denken des neuen Präsidenten in „Deals“.
Allerdings führt gerade der Abbau von internationalen Handelsschranken auf multilateraler Ebene in der Regel zu Wohlfahrtsgewinnen für alle Beteiligten.
Eine Zersplitterung der internationalen Handelsbeziehungen in bilaterale Abkommen widerspricht somit nicht nur dem Gedanken der Welthandelsorganisation, sondern dürfte auch zu weniger Wachstum und Wohlstand – auch für die US-Bevölkerung – führen. Nicht zuletzt sind ca. 750.000 US Amerikaner in Tochtergesellschaften deutscher Unternehmen in den USA beschäftigt. Die transatlantische Partnerschaft war bisher der Grundstein deutscher bzw. europäischer und US-amerikanischer Außenpolitik. Sie droht mit diesem Ansatz in Gefahr zu geraten. Die Bundesregierung sowie die Europäische Kommission sollten sich gerade deshalb weiter für multilaterale handelspolitische Beziehungen einsetzen.
Das wirtschaftspolitische Programm des neuen US-Präsidenten sieht u. a. eine Steuerreform sowie umfangreiche Investitionen vor allem in Rüstung und Infrastruktur vor. Erklärtes Ziel ist es dabei, benachteiligten Regionen, z. B. im Mittleren Westen, wirtschaftlich auf die Beine zu helfen. Ob dies gelingen wird, ist allerdings mehr als fraglich. So ist zu erwarten, dass von den Steuererleichterungen fast ausschließlich Gutverdiener profitieren werden.
Und sollten die Steuerreform sowie das umfangreiche Investitionsprogramm durch staatliche Schulden finanziert werden, würde sich das Staatsdefizit erheblich erhöhen und der bereits heute sehr hohe öffentliche Schuldenstand weiter zunehmen. Ein solches kreditfinanziertes Ausgabenprogramm würde zu höheren Zinsen führen und den Dollar aufwerten. Damit könnten sich die Exportchancen Deutschlands – sofern die USA keine protektionistischen Maßnahmen ergreifen – verbessern. Dies würde allerdings auch den vom US-Präsidenten bereits kritisierten deutschen Leistungsbilanzüberschuss weiter steigen lassen und nicht helfen, das US-Handelsbilanzdefizit abzubauen.
Inwiefern sich die „Trumponomics“ tatsächlich als neues wirtschaftspolitisches Programm durchsetzen, wird sich erst noch zeigen. Viele der Vorhaben des neuen Präsidenten bedürfen der Zustimmung des US-Kongresses. Diese ist jedoch trotz der republikanischen Mehrheit nicht gesichert, da die republikanische Partei in sich gespalten ist. Die gescheiterte Gesundheitsreform hat dies gezeigt. Falls die Republikaner ihre Mehrheit im Kongress bei den Ende nächsten Jahres anstehenden midterm elections verlieren, würde es für Trump noch schwerer, seine Vorhaben umzusetzen. Der Schaden, den er bis dahin sowohl der US- und der Weltwirtschaft als auch der Demokratie zufügt, wird möglicherweise nur schwer wieder zu beheben sein.
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Autor:
Dr. Susanne Cassel und Dr. Tobias Thomas sind Vorsitzende bei Econwatch, einer gemeinnützigen und unabhängigen Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, verständlich und wissenschaftlich fundiert über Wirtschaftspolitik zu informieren und Reformmöglichkeiten aufzuzeigen.