Ich bin ein Neoliberaler!

Joachim Gauck sei Dank! Man kann sich in Deutschland frank und frei dazu bekennen, ein Neoliberaler zu sein. Denn der Bundespräsident hat mit einer bemerkenswerten Rede im Walter Eucken-Institut in Freiburg zurecht die Diskreditierung des Begriffs „neoliberal“ attackiert.

Das Wort ist zum „Gottseibeiuns“ unserer Tage in der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung verkommen. Nicht nur die gesamte politische Linke stigmatisiert mit dem Begriff seit Jahr und Tag alles, was sie mit Sozialabbau verbindet: Hartz IV, höheres Renteneintrittsalter, Studiengebühren und so weiter und so fort. Auch auf christdemokratischen Parteitagen und selbst in FDP-Kreisen wirkt das Stigma, wenn es etwa Kritikern der Mütterrente entgegengeschleudert wird. Wer in diesem Land für weniger staatliche Versorgung und mehr Eigenverantwortung plädiert, gilt als „neoliberal“ und hat deshalb schon verloren.

Mir wurde die Schmähetikette „neoliberal“ bereits in den Neunziger Jahren ans Revers geheftet, als ich für die Grünen im Deutschen Bundestag saß. Ich stritt und streite für ausgeglichene Staatsbudgets. Ich will fairen Wettbewerb – nicht nur in der Privatwirtschaft, sondern auch in den innerstaatlichen Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern (einschließlich der Kommunen). Die Europäische Union buchstabiert sich für mich auch langfristig nicht als europäischer Zentralstaat, sondern als Konföderation eng verflochtener, aber souveräner Mitgliedstaaten.

Freiheit und Verantwortung bedingen einander. Auf Dauer wird jede freiheitliche Gesellschaft nur dann wirtschaftlich und sozial erfolgreich sein, wenn sie ökonomische und politische Machtballung durch einen wirksamen Ordnungsrahmen verhindert. Anti-Kartellgesetze, Transparenzauflagen und demokratische Grundordnungen sind dafür konstitutionell. Gerade die Finanz- und Schuldenkrise der vergangenen Jahre zeigt, wie verheerend sich das Außerkraftsetzen eines zentralen Leitsatzes einer ordoliberalen Wirtschaftsordnung auswirkt: „Too big to fail“ ist die Konsequenz aus der Aufkündigung des Haftungsprinzips für die Folgen des eigenen wirtschaftlichen Handelns.

Für mich als Neoliberaler gilt das Haftungspostulat nicht nur für den Sozialhilfeempfänger, dem ich eigenes Engagement abverlange (Stichwort: aktivierender Sozialstaat!), damit er nicht in der Falle der Daueralimentation stecken bleibt. Auch Banken und Finanzmarktakteure müssen für die Folgen ihres Tuns einstehen, indem ihre Anteileigner und Gläubiger für riskante Fehlspekulationen haften – und nicht die Steuerzahler. Für Staaten gilt der gleiche neoliberale Leitsatz: „No bail out!“ Kein Staat haftet für die Schulden anderer Staaten. Das nennt der Neoliberale Eigenverantwortung.

Dass alle diese Prinzipien haufenweise über Bord geworfen werden – national, europäisch und global – ist eine traurige Tatsache. Der Zeitgeist weht aus einer fatalen staatsgläubigen Richtung. Mehr Staat garantiert vermeintlich mehr Sicherheit. Doch diesen gigantischen Trugschluss müssen wir Neoliberalen entlarven. Tatsache bleibt, dass ohne wirtschaftliche Prosperität auf Dauer kein Wohlstand existieren kann. Denn wo nichts mehr erwirtschaftet wird, kann auch nichts mehr verteilt werden.

Autor:

Oswald Metzger ist Botschafter der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Von 1994 bis 2002 gehörte er dem Deutschen Bundestag an. Er ist Geschäftsführer des Konvent für Deutschland.

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