Haushaltsdisziplin: Ohne Kontrolle geht es nicht
Wie wird der Geist der Schuldenbremse aus dem Grundgesetz und der Fiskalpakt der Euro-Staaten in Deutschland zum Leben erweckt? Und: Wie kann das Königsrecht der Parlamente, die Aufstellung und Kontrolle über die öffentlichen Budgets, wieder zur Geltung gebracht werden? Neue Institutionen können helfen. Vor allem aber Transparenz.
Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, kritisierte in einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung (Demokratie statt Expertokratie, SZ vom 13.6.2012) gestern die Vorschläge der Bundesregierung zur Stärkung des Stabilitätsrates aus Bund und Ländern und zur Etablierung eines wissenschaftlichen Beirates. Stattdessen schlägt er vor, in Anlehnung an das US-amerikanische Congressional Budget Office in Deutschland einen Nationalen Rat für Haushalts- und Finanzfragen einzurichten. Macht das Sinn?
Sinn macht auf jeden Fall, sich jetzt mit diesen Fragestellungen ernsthaft zu befassen. Die Hilflosigkeit, mit der Abgeordnete des Bundestages – ob zur Regierung oder Opposition zugehörig – Beschlussvorlagen der Regierung durchwinken müssen, ohne die Unterlagen lesen, verstehen oder ändern zu können, schreit nach einer Stärkung der Legislative. Aber wie?
Schneiders Kritik am Stabilitätsrat aus Bund und Ländern ist berechtigt: das ist ein Gremium aus (Schulden-) Sündern, die über ihr eigenes Fehlverhalten richten sollen und sich gegenseitig Sanktionen zuweisen müssten. In dem Gremium sitzen nicht nur die falschen Repräsentanten (es dürften nicht die Vertreter der Landes- und Bundesregierung sein, sondern Parlamentarier), es fehlt auch an Kompetenz und Handwerkzeug: Solange die Länder jeweils auf eigene Art und Weise das strukturelle Defizit ihrer Haushalte ausrechnen dürfen und keine einheitliche Berechnungsgrundlage für alle gilt, bleibt die Berichterstattung über Schulden bzw. über den Stand der Konsolidierung zwecklos – weil intransparent. Die Kennzahlen, mit denen der Stabilitätsrat arbeitet sind für die Zielerreichung der Schuldenbremse weitgehend unerheblich.
Schlecht ist auch, dass die Länder erst ab dem Jahr 2020 grundgesetzlich verpflichtet sind, die strukturelle Neuverschuldung zu stoppen. Im Gegensatz zum Bund, der bereits seit dem Jahr 2011 nach einem festgelegten Schuldenabbauplan seine Neuverschuldung reduzieren muss. Wenn die Länder nicht jetzt Konsolidierung gezwungen werden, können sie spätestens im Jahr 2019 ein erhebliches Druckpotential gegen den Bund aufbauen. Das läuft dann unter dem Motto: Wenn der Bund nicht hilft, können wir die Vorgaben der Verfassung nicht einhalten.
Genau dieses Szenario sollte man frühzeitig unterbinden. Insoweit kann man dem von der Bundesregierung erarbeiteten Gesetzesentwurf zur Umsetzung des Fiskalpaktes auch etwas Gutes abgewinnen: Darin werden sowohl der Bund wie auch die Länder dazu verpflichtet, ab dem Haushaltsjahr 2014 die Nettokreditaufnahme jährlich zu reduzieren. Das wäre ein Fortschritt. Ungeklärt sind nach wie vor die Berechnungsmethode und der Sanktionsmechanismus. Haushaltskontrolle setzt Transparenz voraus. Deshalb ist eine für alle verbindlich vorgegebene Rechenweise für das strukturelle Defizit unverzichtbar.
Als ebenso positiv bewerte ich die Idee, einen „unabhängigen Beirat“ einzurichten. Gerade weil der Stabilitätsrat im Prinzip aus den falschen Leuten zusammengesetzt ist, braucht er Beratung von außen. Dieser Beirat soll, so der Schäuble-Plan, eine „eigene Schätzung des gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizits“ vorlegen und „Empfehlungen zur Einhaltung des mittelfristigen Haushaltsziels“ abgeben. Mit dieser Kompetenz könnte die bisherige Schwachstelle – keine einheitliche Berechnungsgrundlage für das strukturelle Defizit – behoben werden. Der wissenschaftliche Beirat zeigt dann schwarz auf weiß: Beim wem steht die Ampel auf Grün? Bei wem auf Rot? Wer muss sein Defizit weiter reduzieren?
Carsten Schneider schlägt stattdessen vor, einen Nationalen Rat für Haushalts- und Finanzpolitik einzurichten, der „organisatorisch gemeinsam von Bundestag und Bundesrat getragen wird.“ Mit diesem Gremium will er letztlich die Übermacht des Finanzministeriums aushebeln, das den Abgeordneten immer um Längen voraus ist: Ob Analysen oder Prognosen – in allen Fragen müssen sich die Parlamentarier ausschließlich auf die Zahlen des Ministeriums verlassen. Wenn sie die überhaupt (rechtzeitig und vollständig) in die Finger bekommen. In den USA arbeiten etwa 250 Ökonomen im Auftrag des Parlamentes den Abgeordneten zu, erarbeiten eigene Analysen und Vorschläge – und schaffen damit so etwas wie „Waffengleichheit“ zwischen Exekutive und Parlament.
In diesen Zeiten, in denen die Haushalts- und Finanzpolitik nun schrittweise supranationaler wird, scheint eine Stärkung der parlamentarischen Kontrolle wirklich angemessen zu sein. Warum aber sollen wir dabei auf wissenschaftliche Beratung durch ein Beratergremium, wie es Schäuble vorschlägt, verzichten? Beide Ansätze lassen sich kombinieren: Einerseits ein Haushalts- und Budget-Büro des Parlaments. Andererseits ein „Sachverständigenrat für nachhaltige Staatsfinanzen“. Beide Institutionen können sicher einen guten Beitrag leisten für Haushaltsdisziplin und einen stabilen Währungsraum. Grundvoraussetzung: Transparenz und ein einheitliches Regelwerk.
Sie finden hier den Konsolidierungs Check der Bundesländer vom Institut der Deutschen Wirtschaft Köln im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.
Hier finden Sie das online Tool zum Bundesländer Check.
Autor:
Marco Mendorf war von 2008 bis 2012 Senior Conultant der Initiative Neue Soziale Markwirtschaft.