Grundrente in Dänemark und den Niederlanden: Was wir von unseren Nachbarn lernen können

Sowohl Dänemark als auch die Niederlande gelten für viele als Vorbild bei der Rente, weil beide Länder ein hohes Sicherungsniveau im Alter zu bieten scheinen. Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt. Der Ökonom Dr. Jochen Pimpertz vom Institut der deutschen Wirtschaft hat für die INSM die beiden Länder verglichen (Gutachten als PDF) und zieht Lehren für die Rentendebatte in Deutschland. Er zeigt: Dank späterem Rentenbeginn und mehr kapitalbasierter Altersvorsorge sind unsere Nachbarn auf den demografischen Wandel besser vorbereitet. Im Folgenden die Zusammenfassung des Gutachtens.

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Grundrentenmodelle würden in Deutschland zu systematischen Brüchen in der Sicherungsarchitektur führen, weil damit die Kriterien der Bedarfs- und Leistungsgerechtigkeit vermischt werden. Wie gehen die europäischen Nachbarn in ihren Grundrentensystemen mit beiden Kriterien um? Was können wir lernen, um die aktuelle Debatte zur Einführung einer Grundrente nicht länger im Sinne eines Wettbewerbs um die generöseste Ausstattung zu führen, sondern zielgerichtete Hilfen für betroffene Personenkreise zu formulieren?

Zur Erinnerung: Die Lebensstandardsicherung im Alter erfolgt für deutsche Arbeitnehmer in drei leistungsbezogenen Säulen, zu einem großen Anteil über die umlagefinanzierte gesetzliche Rente, ergänzt um die betriebliche und private Altersversorgung. Die Grundsicherung im Alter garantiert dagegen für die gesamte Bevölkerung eine bedarfsgerechte Mindestausstattung, sollten die Alterseinkommen nicht ausreichen. Die steuerfinanzierten Leistungen sind an eine Bedürftigkeitsprüfung gekoppelt. Gesetzliche Rentenansprüche werden bislang zu 100 Prozent auf die Grundsicherungsleistung angerechnet, betriebliche und private Renten werden dagegen seit 2018 nicht mehr vollständig mit der bedürftigkeitsgeprüften Hilfe verrechnet.

Sowohl Dänemark als auch die Niederlande werden in der Öffentlichkeit als mögliche Referenzen genannt – unter anderem, weil sie ein höheres Sicherungsniveau im Alter bieten. Alle Bürger erhalten eine Grundrente, die unabhängig von der Vorleistung gewährt wird. Das klingt so ähnlich wie die Idee eines Grundeinkommens – nur dass dieses nicht bedingungslos gewährt wird. Denn die Höhe der Grundrenten ist in beiden Ländern an die Dauer des Wohnsitzes gekoppelt. Wer weniger als 40 beziehungsweise 50 Jahre im Inland gelebt hat, dessen Grundrente wird pro fehlendes Jahr proportional gekürzt.

Deshalb kommen auch die Grundrentensysteme nicht ohne bedürftigkeitsgeprüfte Hilfen aus. Denn erreicht das Alterseinkommen nicht das Sozialhilfeniveau, tritt auch in diesen Ländern eine materielle Mindestausstattung auf den Plan, deren Leistung aber unter dem Niveau der Grundrente liegt. Deshalb führt hierzulande die Vorstellung in die Irre, man könne vollständig auf eine Bedürftigkeitsprüfung verzichten, zumindest solange man auf die Nachbarn schielt.

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Im dänischen System wird die steuerfinanzierte Grundrente um eine Zulange ergänzt, die abgeschmolzen wird, sobald weitere Alterseinkommen aus betrieblicher oder privater Vorsorge hinzukommen. In den Niederlanden wird die Grundrente dagegen in einem solidarischen Versicherungssystem aus Beiträgen der Arbeitnehmer und Selbständigen finanziert; Arbeitgeber werden nicht an der Finanzierung beteiligt. Ein vorzeitiger Grundrentenbezug ist in beiden Systemen ausgeschlossen, wobei die Regelaltersgrenze früher als in Deutschland angehoben wird – in den Niederlanden bereits im Jahr 2021 auf 67 Jahre, in Dänemark bis 2030 auf dann 68 Jahre. Auch für die Zeit danach haben beide Länder bereits Vorsorge getroffen, die Altersgrenze wird mit der Entwicklung der Lebenserwartung automatisch fortgeschrieben. Anders als in Deutschland wird dagegen eine über das Grundrentenniveau hinaus reichende Lebensstandardsicherung ausschließlich an die kapitalgedeckten Systeme delegiert.

Daraus ergibt sich nicht nur eine andere Statik der Alterssicherung, sondern die Anpassungslasten des demografischen Wandels werden auch anders geschultert. Denn während hierzulande der Anteil der überwiegend umlagefinanzierten öffentlichen Ausgaben der Alterssicherung von derzeit rund 10 Prozent bis auf 12,2 Prozent im Jahr 2050 steigen wird, sinkt die Quote in Dänemark im gleichen Zeitraum von 10 auf knapp unter 8 Prozent. In den Niederlanden schlagen derzeit 7,3 Prozent zu Buche, im Jahr 2050 immerhin 8,2 Prozent.

Ein Grund dafür liegt in der langsameren Alterung der beiden Gesellschaften. Mindestens ebenso bedeutsam ist aber, dass die höhere Regelaltersgrenze auch zu einer höheren Erwerbsbeteiligung führt, die die Finanzierungsbasis insbesondere von steuer- und beitragsfinanzierten Teilsystemen stärkt – eine Option, die hierzulande bislang ausgeklammert wird.

Außerdem werden die Anpassungslasten weniger stark auf nachfolgende Generationen verlagert als hierzulande, weil die betriebliche Vorsorge eine bedeutsamere Rolle spielt. Zählt man die Anteile für öffentliche und private Rentenausgaben zusammen, dann unterscheiden sich die Länder zum Ausgangszeitpunkt kaum noch, wohl aber die jeweiligen Anteile in der Zukunft – auch das ein Hinweis für die deutsche Reformdiskussion, den Anfang des letzten Jahrzehnts eingeschlagenen Reformpfad konsequent zu verfolgen.

Der Systemvergleich deutet aber auch an, wie Lebensleistungen in der deutschen Grundsicherung berücksichtigt werden können. Die bestehende und für das Gros der Bevölkerung erfolgreiche Architektur der Alterssicherung muss dazu nicht in Frage gestellt werden. Während nämlich in Dänemark die Rentenzulage gekürzt wird, wenn andere Alterseinkommen hinzutreten, ließe sich das Ergebnis für deutsche Ruheständler umgekehrt erreichen: über einen anrechnungsfreien Prozentsatz für gesetzliche, betriebliche und private Renten im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung. Das führt zu einer höheren Ausstattung bei bedürftigen Ruheständlern, die während ihres Erwerbslebens vorgesorgt, Kinder erzogen und Angehörige gepflegt haben. Wichtig dabei: diese Regel sollte universell, also für unterschiedliche Altersvorsorgesysteme gelten, und für alle Bürger, die Anrecht auf eine Grundsicherung bei Bedürftigkeit haben.

Verschämte Altersarmut ließe sich damit jedoch nicht ausschließen. Allerdings muss dafür die Architektur der deutschen Alterssicherung nicht in Frage gestellt werden, wenn es gelingt, die Bedürftigkeitsprüfung so zu gestalten, dass sie von den Betroffenen als weniger beschämend empfunden wird.

IW-Gutachten: Ein Vergleich ausgewählter Grundrenten-Systeme in der EU: Was können wir für Deutschland lernen?

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Autor:

R. Fischer und Prof. G. Schnabl Prof. Schnabl ist Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig. Raphael Fischer ist Diplom-Volkswirt und Forschungsassistent am Institut für Wirtschaftspolitik der Universität Leipzig.

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