Grün ist nicht genug
Gerhard Schick: Machtwirtschaft – nein danke! Für eine Wirtschaft, die uns allen dient, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2014
Ein Ende des Wachstums hält er für unverantwortlich. Eine absolute Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch bleibt für ihn nur ein Traum. Was Gerhard Schick will, ist eine faire Wirtschaft, die der Gesellschaft und ihrer Entwicklung wirklich nachhaltig nutzt – so weit entfernt das Ziel, so sympathisch das Buch.
Ziemlich flott legt Schick los: Die Wirtschaft sei nicht mehr für die Menschen da, die Bedürfnisse von uns allen würden kaum noch eine Rolle spielen. Das einzige, was zähle, seien Macht und Geld. „Ich nenne diese Wirtschaftsordnung, in die wir eingebunden und der wir ausgesetzt sind, deshalb Machtwirtschaft“, schreibt der Autor. Gerhard Schick ist Politiker bei den Grünen, promovierter Volkswirt und zählt in seiner Partei zu den besten Experten in der Wirtschaftspolitik. Angesichts seiner starken Thesen, die er in seinem jetzt erschienenen Buch „Machtwirtschaft – nein danke!“ gegen die Macht der Daten, die Macht der Agrarkonzerne, die Macht der Mafia und die Macht der Finanzmärkte formuliert, könnte man meinen, Schick sei die männliche Inkarnation Sahra Wagenknechts. Das ist nicht der Fall.
Schick, der im Walter-Eucken-Institut und bei der Stiftung Marktwirtschaft gearbeitet hat, sieht sich als „überzeugter Marktwirtschaftler“: „Die Überlegenheit dezentraler Steuerung leuchtet mir ein. Freiheit und Selbstbestimmung sind mir wichtig.“ Auf die wirtschaftlichen Probleme und Zwänge unserer Zeit findet er „in den wissenschaftlichen Arbeiten des Ordoliberalismus die besten Antworten“.
Da ist es kein Wunder, dass er in seinem lesenswerten Werk rechts und links austeilt: „Mutti Staat kümmert sich – nur leider nicht um die Vielen, sondern um die Wenigen“, meint er. Die Konservativen seien für einen „Staat, der sich um die Oberschicht sorgt und in deren Interesse sehr wohl und sehr effizient die Dienste der zentralen Ordnungsmacht einspannt“. Den Linken wirft er ein taktisch falsches Verhalten vor: Sie reagierten häufig mit dem „reflexhaften Ruf nach mehr Staat, um ungerechte Marktergebnisse auszubügeln“. Das sei jedoch der völlig falsche Ansatz: „Linke müssen viel früher ansetzen und die Regeln für den Markt so gestalten, dass er gerechtere Ergebnisse produziert.“
Grundsätzlich hält er die Gegenüberstellung von „links gleich staatsorientiert“ und „rechts gleich marktorientiert“ für nicht brauchbar. Schick stellt sich eine Wirtschaft vor, die nicht „darauf angelegt ist, wachsen zu müssen und dafür immer neue Bedürfnisse zu wecken“. Er fordert ein System, „in der man Gewinne machen kann, ohne Gegenleistung zu erbringen, die Kundinnen und Kunden so wie der Gesellschaft von Nutzen sind“.
Auch die Meinung der Optimisten aus seinen eigenen Parteireihen, die glauben, man müsse nur grüner wirtschaften und Wachstum und Nachhaltigkeit zu nachhaltigem und grünem Wachstum verbinden, teilt er nicht unbedingt. „Während relative Entkopplung, also ein Weniger an Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung pro Einheit des Bruttoinlandprodukts, durch technische Neuerungen tatsächlich stattfindet, sind wir weit davon entfernt, Ressourcenverbrauch und Emissionen absolut zu senken.“
Ebenso reiht er sich nicht in den Chor derjenigen ein, die Wohlstand ohne Wachstum proklamieren. „Ein Ende des Wachstums zu fordern, bei dem unser Wirtschaftssystem in seiner heutigen Verfasstheit in die Instabilität gleiten würde, wäre unverantwortlich“, erklärt Schick. Er will die Wachstumszwänge anders überwinden: Er setzt auf den Green New Deal – „kein grünes Konjunkturprogramm“, wie er meint, sondern ein „Projekt der Transformation“: Darin geht es um Neuregulierung der Finanzmärkte, den ökologischen Umbau der Wirtschaft und einen neuen sozialen Ausgleich in der Gesellschaft.
Das klingt gut. Und es klingt vor allem auch nach Parteiprogramm.
Individueller ist da schon seine Prognose, dass wir uns zukünftig auf eine wachstumsärmere Wirtschaft vorbereiten sollten. Eine solche Aussicht wird vor allem den Industrienationen kaum schmecken.
Sein Buch ist dennoch nicht bitter. Im Gegenteil. Es ist anregend. Auch für seine Gegner. Schon deswegen lohnt sich die Lektüre.
Autor:
Dr. Martin Roos ist freiberuflicher Journalist. Er arbeitet als Autor, Ghostwriter und Redenschreiber für Unternehmen und Topmanager.