Griechenland II - Schulden und mehr

Trotz Sparversprechungen – Griechenland ist es nicht gelungen die Vorgaben der Troika einzuhalten. Die Hellenen fordern mehr Zeit. Es klaffen Haushaltslöcher in Milliardenhöhe. Wie die Haushaltslöcher gestopft werden sollen bleibt aber völlig unklar. Montag geht die Kompromisssuche in die nächste Runde.

Auf dem Euro-Gipfel vom Dienstag hat man sich nicht darauf einigen können, wie man die fehlenden Milliarden für Griechenland aufbringen will. Es geht bezüglich der Jahre 2013 und 2014 um eine Lücke von 15 Milliarden Euro. Davon sind 6,2 Milliarden Euro das Ergebnis ausbleibender Privatisierungserfolge. Die Troika hatte bis 2016 mit einem Privatisierungserlös von mehr als 24 Milliarden Euro gerechnet (S. 28). Nun sollen es in diesem Zeitraum nur noch 10,4 Milliarden Euro sein. Es fehlen demnach fast 14 Milliarden Euro. Auf die Jahre 2013 und 2014 entfallen davon 6,2 Milliarden Euro ausgebliebene Privatisierungserlöse. Zwischenstand: Die Privatisierungsbemühungen sind komplett fruchtlos. Bislang hat man überhaupt erst knapp 1,7 Milliarden Euro erlöst. Die insgesamt als eigener Beitrag Griechenlands zu seiner Sanierung geplanten 50 Milliarden Euro bleiben illusorisch. Noch wird nur über die wettzumachenden 6,2 Milliarden gesprochen. Doch die Staatenrettungsgemeinschaft wird im Laufe der Zeit einen deutlich größeren Finanzierungsausfall aus eigener Tasche kompensieren müssen.

Griechenland hängt nicht nur bei der Privatisierung dem Programm hinterher, sondern auch bei anderen Maßnahmen. Die Troika behauptet nun, der Umsetzungsverzug habe den Defizitabbau verzögert. Daher seien Griechenlands Schulden höher, wofür Griechenland mehr Zinsen zahlen müsse und auch erst später an den Kapitalmarkt zurückkehren könne. Man brauche einen Aufschub. Für einen Aufschub von zwei Jahren veranschlagt die Troika einen zusätzlichen Betrag von 8,8 Milliarden Euro, um den Verzögerungsschaden abzudecken. Um es vorab richtig zu stellen:  Der Einbruch beim Bruttoinlandsprodukt geht zu seinem größten Teil nicht auf die Verzögerungen bei der Programmumsetzung zurück. Vielmehr hat sich die Troika verkalkuliert und die Sanierungsbelastungen für die griechische Wirtschaft unterschätzt. Auch mit rechtzeitiger Programmumsetzung wäre die Wirtschaft in 2013 nicht wie von der Troika geplant stagniert, sondern deutlich geschrumpft. Die Anpassungsprogramme sind im Ansatz viel zu optimistisch geplant, vielleicht damit die Parlamentarier und Steuerzahler in den Geberländern nicht allzu schnell die Lust an der Eurorettung verlieren. Unter dem Strich bleibt, dass zwei zusätzliche Jahre für Griechenland mindestens 8,8 Milliarden Euro kosten werden. Heute weiß noch niemand, wie das Geld aufgebracht werden soll. Ganz zu schweigen von den 17,6 Milliarden, die für die Jahre 2015 und 2016 fehlen werden. Wie diese Finanzierungslücke geschlossen werden soll, wird derzeit gar nicht überlegt. Im Jahr 2014 – also nach der Bundestagswahl – wird man sich also erneut damit befassen müssen, wo weiteres Geld für Griechenland herkommt.

Der Bundestag muss nichtsdestotrotz darüber entscheiden, ob die nächste Tranche an den griechischen Staat ausgezahlt werden darf. Eigentlich sollte eine Tranche pro Quartal ausgezahlt werden. Wegen des Verzugs von Troika und Griechenland geht es nun um die Auszahlung der Tranchen vom zweiten, dritten und vierten Quartal. Es geht für die EFSF um 38,6 Milliarden Euro und für den IWF um 4,8 Milliarden Euro, insgesamt also um 43,5 Milliarden Euro. Ob eine Auszahlung eine kluge Entscheidung ist, kann man an einem Vergleich der Daten von heute mit denen vom diesjährigen März zum Zeitpunkt der Umschuldung sehen:

Die Zahlen sprechen für sich. Trotz des Schuldenschnitts im März soll Griechenland zum Ende des Jahres 2012 eine höhere prozentuale Verschuldung zum BIP ausweisen. Der Höhepunkt soll nun 2014 mit mehr als 190 Prozent Staatsschulden vom BIP erreicht werden.

In diesem Jahr 2014 ist das IWF-Programm fast vorüber. Der IWF wird vier letzte Tranchen á 1,6 Milliarden Euro auszahlen, insgesamt also 6,4 Milliarden Euro. Doch im Jahr 2014 muss Griechenland bereits Schulden beim IWF tilgen. Der IWF zahlt zwar 6,4 Milliarden Euro aus, doch sind gleichzeitig 7,4 Milliarden Euro zur Rückzahlung an den IWF fällig. Der Fonds verringert im Jahr des höchsten Schuldenstands sein Netto-Griechenlandengagement um 1 Milliarde Euro. Das Geld zur Tilgung kommt von der EFSF. Sie soll laut Auszahlungsplan 14,9 Milliarden Euro an Griechenland auszahlen. Die EFSF-Mittel dienen ab 2014 nicht nur dazu, Griechenland zu finanzieren, sondern auch die Darlehen des IWF zurückzuzahlen.

Auch wenn die Vorschläge darüber, wie die Finanzierungslücke für 2013 und 2014 zu schließen ist, noch nicht vorliegen, kann ich mit Sicherheit sagen, dass ich weiteren Auszahlungen an Griechenland auf keinen Fall zustimmen kann  – erst recht nicht in der Höhe von 38,6 Milliarden Euro. Die Rettungspolitik setzt erst die Marktanreize in Form der Zinssignale unter Verstoß gegen die Nichtbeistandsklausel außer Kraft und versucht ihr Fehlen dann anschließend durch politische Vereinbarungen zu kompensieren. Das kann nicht funktionieren. Die Löcher im Anpassungsprogramm zeigen das. Was allerdings wirklich jeden überzeugen müsste, ist der Umstand, dass die Finanzierungslücke nicht zur Gänze geschlossen wird. Die Troika wird wohl mit Mühe das Loch von 15 Milliarden provisorisch stopfen können. Es klafft aber ein viel größeres Loch bei den Privatisierungserlösen bis 2020. Realistisch sind nicht 50, sondern nur 10 Milliarden Euro. Es bleibt eine Lücke von 40 Milliarden Euro. Hinzu kommt der Verzögerungsschaden 2015 und 2016, der 17,6 Milliarden Euro beträgt. Es ist verantwortungslos, heutigen Auszahlungen zuzustimmen, wenn man nicht weiß, wie dieses Loch geschlossen werden soll, wenn der Bundestag im Jahr 2014 erneut darüber abstimmen muss.

Autor:

Frank Schäffler war bis 2013 Abgeordneter der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag.

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