Gerechtigkeit wird in Chancen gemessen

Deutschland steht im Wahljahr 2017 gut da: Die Wirtschaft wächst, der Arbeitsmarkt befindet sich in einer sehr guten Verfassung, und die Zahl der Erwerbstätigen liegt bei mehr als 44 Millionen, Tendenz steigend. Dennoch: Die Furcht vor Armut und einer Teilung der Gesellschaft scheint allgegenwärtig. Dabei ist die Faktenlage ziemlich eindeutig.

Regelmäßig kocht in Wahlkampfzeiten die Debatte um eine Mittelschicht hoch, die sich, trotz Rekordbeschäftigung und durch die Bank positiver Wirtschaftsaussichten, scheinbar stetig verkleinert. Würde jetzt nichts unternommen, drohe die Spaltung der Gesellschaft.

Tatsächlich ist es so, dass unser progressives Steuersystem deutlich mehr umverteilt als anderswo. Während die Ungleichheit der Bruttoeinkommen hierzulande international im Mittelfeld liegt, ist die Ungleichheit der Nettoeinkommen so gering wie in kaum einem anderen Land.

Genauso steht Deutschland in puncto Armut vergleichsweise gut da. Selbst nach der eher fragwürdigen gängigen Definition von Armut, wonach als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Durchschnittseinkommens zur Verfügung stehen hat, schneidet die Bundesrepublik gut ab und liegt mit einer Quote von 16,7 Prozent unter dem EU-Durchschnitt. Da dieser Armutsbegriff aber eher ein Verteilungsmaß darstellt, als echte Armut zu messen, lohnt sich ein Blick auf den Anteil der Menschen, die erhebliche materielle Entbehrungen hinnehmen müssen und von neun grundlegenden Ausgaben – wie zum Beispiel das Heizen oder ein Telefon –  sich mindestens vier nicht leisten können. Dies trifft in Deutschland nur auf 3,9 Prozent der Bevölkerung zu und ist seit 2008 stabil. Im EU-Schnitt ist der Anteil doppelt so hoch.

Die Debatte darüber, wie man durch mehr Umverteilung mehr Gerechtigkeit schaffen kann, verstellt aber den Blick auf die gerechteste Lösung des Problems: Bildung. Bildungspolitik ist die beste Sozialpolitik. Die Armut ist bei Arbeitslosen neun Mal so hoch wie im Durchschnitt der Bevölkerung. Auch Menschen mit niedrigem Bildungsabschluss sind in besonderem Maße, nämlich drei Mal so stark, von Armut betroffen.

Bereits auf dem Dresdner Bildungsgipfel 2008 haben Bund und Länder gemeinsam beschlossen, die Bildungsausgaben bis 2015 auf sieben Prozent des BIP zu steigern. Dieses Ziel wurde auch im Jahr 2016 noch nicht erreicht. Deutschland braucht eine Bildungsagenda – mit Investitionen in frühkindliche Bildung, Integration, Ausbau von Ganztagsschulen und besseren Hochschulen. Gute Bildung für alle schafft Chancen für alle: Das ist Soziale Marktwirtschaft und soziale Gerechtigkeit.

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Autor:

Hubertus Pellengahr ist Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.

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