Europa will wachsen

Die Eurokrise schweißte Deutschland und Frankreich noch enger zusammen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der neu gewählte französische Präsient als ersten Amtsbesuch nach Berlin reist. Im Wahlkampf forderte Hollande immer wieder Wachstumsimpulse durch den Staat, selbst wenn dafür der Fiskalpakt aufgeweicht werden muss. Das sorgte für Irritationen. Doch er wird nachgeben müssen.

Der  Wahlerfolg des Sozialisten François Holland am vorletzten Sonntag stellte die Bundesregierung unter Zugzwang. Hollande hat während seines Wahlkampfes immer wieder angedroht den bereits von drei Euro-Mitgliedsstaaten ratifizierten Fiskalpakt neu zu verhandeln und forderte zugleich einen Wachstumsimpuls auf europäischer Ebene.

Unklar ist, wie der neue französische Präsident Wachstumsimpulse schaffen will. Klar ist aber, dass ein schuldenfinanziertes Konjunkturprogramm den Fiskalpakt ad absurdum führen würde. Um dem Franzosen mit eigenen Wachstumsplänen zuvorzukommen, legte Außenminister Westerwelle am vergangenen Freitag schließlich ein Sechs-Punkte Programm für mehr Wachstum in Europa vor. Dieser soll, im Einklang mit dem Fiskalpakt, in erster Linie Wachstum durch Strukturreformen entfachen. Die Ausgaben der öffentlichen Hand sollen besser überwacht und effizienter eingesetzt werden; staatliche Interventionen sollen dort zurückgefahren werden, wo der Markt bessere Lösungen bietet.

Zu denken ist etwa an eine dringend notwendige Flexibilisierung der Arbeitsmärkte. Die europäische  Arbeitsmobilität ist im Vergleich zu anderen Weltregionen schlichtweg rigide. Der Binnenmarkt muss sich hier vollends entfalten und weiter gefördert werden: Mobilitätsprogramme und –anreize sind denkwürdig, damit vor allem Jugendliche dort Arbeit finden können, wo sie dringend benötigt werden. Aber auch Reformen in der Bildungs- und Ausbildungspolitik müssen dafür Sorge tragen, dass nachfolgende Generationen wieder Arbeit finden. Das deutsche duale Ausbildungssystem gilt als Paradebeispiel für die Gewähr niedriger Jugendarbeitslosigkeit. Westerwelle unterbreitet Hollande aber auch Vorschläge, die bereits vorhandenen Finanzmittel der EU besser zu verteilen und einzusetzen: Bislang unangetastete 80 Mrd. € aus EU-Fonds sollen Investitionen finanzieren. Des Weiteren erklärte sich Westerwelle zu einer für Deutschland nicht ganz billigen Kapitalerhöhung der Europäische Investitionsbank (EIB) bereit, damit mehr Kredite an kleine und mittlere Unternehmen vergeben werden können. Man erhofft sich dadurch ein probates Mittel gegen die übervorsichtige Kreditvergabe europäischer Finanzinstitute. Allerdings müssen zunächst effiziente Verwaltungen vor Ort verfügbar sein, damit Investitionen auch effizient umgesetzt werden können. Womit wir wieder bei Strukturreformen wären. Abgesehen davon will der deutsche Außenminister die europäische Infrastruktur besser erhalten und ausbauen lassen.

An Geld fehlt es also ganz sicher nicht: Summa summarum könnten all diese Impulse rund 200 Mrd. € an Fördervolumen freisetzen. Intelligent umgesetzt kann man damit viel bewegen – und zwar ohne neue Schulden aufzunehmen oder die Haftung auf Teufel komm raus zu vergemeinschaften.

Francois Hollande wird sich dem deutschen Vorschlag aus guten Gründen annähern und sich mit der Kanzlerin versöhnen. Denn ohne die Kanzlerin wird es schwer sein an neue Gelder zu kommen. Die Bundesregierung wird weder einem schuldenfinanzierten Konjunkturprogramm noch einer expansiven Geldpolitik durch die Bevormundung der EZB zustimmen. Westerwelles Vorschläge bieten einen fairen Kompromiss: Hollande bekommt einen Wachstumspakt, den er sein Eigen nennen darf; Merkel bleibt der Fiskalpakt und die Hoffnung, dass sich das Chaos in Griechenland legt und die neue Regierung seine Verbindlichkeiten einhält.

Autor:

Dr. Matthias Heider ist Abgeordneter des Deutschen Bundestags und Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie.

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