Europa in der Welt: Warum die EU in Zeiten von Donald Trump unverzichtbar ist

Mehr als sechs Jahrzehnte nach den Römischen Verträgen steht Europa vor großen Herausforderungen und die einzig sinnvolle Lösung ist, den Zusammenhalt zu stärken. So ist es in den binnenpolitischen Fragen, umso mehr aber auch hinsichtlich der Herausforderungen, die sich aus der Debatte um die Zukunft der globalen Wirtschaftsordnung in den letzten Jahren ergeben. Ob Handel oder Investitionen: Die europäische Wirtschaft braucht verlässliche Strukturen und die EU kann mit einer gemeinsamen Stimme mehr erreichen als jeder einzelne EU-Mitgliedstaat selbst. // (Hier finden Sie alle Folgen der Serie “Europa macht stark”.)

Gemäß Daten der Welthandelsorganisation (WTO) ist die EU in der Gesamtbetrachtung Weltmeister im internationalen Handel – knapp vor China und den USA (WTO, 2019). Waren im Wert von 4,6 Billionen US-Dollar wurden in 2018 zwischen den EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten gehandelt. Hierbei weist die EU mit knapp 13 Billionen US-Dollar ein noch höheres Handelsvolumen aus, doch mehr als zwei Drittel des Warenhandels finden zwischen den EU-Mitgliedstaaten statt.

Der Prozess der europäischen Integration hat den Ausbau der europäischen Wertschöpfungsketten und Handelsstrukturen erheblich erleichtert. Nach außen stellen die EU-Mitgliedstaaten in Sachen Handelspolitik eine Einheit dar; sie erheben die gleichen Zollsätze gegenüber Drittstaaten und die Unternehmen müssen identische Regeln beachten, wenn sie in Drittstaaten ihre Waren absetzen möchten – unabhängig davon, ob sie aus Bulgarien oder Deutschland kommen.

Dass die handelspolitischen Entscheidungen den EU-Institutionen überlassen wurden, ist nicht nur aufgrund des Binnenmarkts sinnvoll. Auch strategisch betrachtet können 28 EU-Mitgliedstaaten in den Verhandlungen zu Freihandelsabkommen mit Drittstaaten mehr erreichen, wenn sie mit einer Stimme sprechen.

Gerade in den letzten Jahren hat die EU-Kommission enorme Fortschritte in der Handelspolitik verzeichnet. Dazu gehören die zahlreichen Abkommen, die abgeschlossen wurden (etwa mit Kanada, Japan, Singapur) oder verhandelt werden (unter anderem mit Neuseeland, Mercosur, USA). Dazu gehört aber auch die in der historischen Betrachtung präzedenzlose Steigerung der Transparenz der europäischen Handelspolitik. Heute kann sich jeder EU-Bürger über den Stand der EU-Handelspolitik informieren und sich am Diskurs beteiligen. Überdies hat die EU-Kommission nicht nur den Reformbedarf der WTO erkannt, sondern bereits Vorschläge erarbeitet, um den Reformprozess voranzutreiben (Europäische Kommission, 2018).

Doch die Herausforderungen bleiben groß – nicht nur aufgrund des aktuellen Handelskonflikts mit den USA, sondern auch aufgrund der Divergenzen hinsichtlich der Ausgestaltung der globalen Wirtschaftsordnung wie der der WTO. Auch hier ist es von entscheidender Bedeutung, den Europäischen Zusammenhalt auszubauen und eine gemeinsame Position zu vertreten, um hinreichend Gehör in der Debatte um die Zukunft des Welthandelssystems zu finden (Matthes, 2019).

Die gute Nachricht ist, dass sich der freie Handel einer breiten Unterstützung durch die EU-Bürgerinnen und Bürger erfreut. Gemäß der Eurobarometer-Umfrage vom November 2018 verbinden drei von vier Befragten mit dem Begriff „freier Handel“ etwas Positives (Kolev, 2019).

Außer Handelspartner ist die EU schon seit Jahrzehnten der größte Investor weltweit (UNCTAD, 2019). Mehr als ein Drittel der globalen Direktinvestitionsbestände entfallen auf die EU-Mitgliedstaaten. (Zum Vergleich: Die USA, die auf Platz zwei rangieren, stehen für ein Viertel der globalen Direktinvestitionsbestände im Ausland). Viele ihrer Investitionsprojekte setzen die europäischen Unternehmen im EU-Ausland um – mit rund 56 Prozent sind dies sogar mehr als die Hälfte aller Direktinvestitionsbestände (Eurostat, 2019). Die restlichen 44 Prozent entfallen auf Drittstaaten, in denen EU-Unternehmen aus strategischen Gründen, etwa zwecks Kostenreduktion oder Markterschließung Produktionsstätten eröffnen oder Unternehmensanteile erwerben. Dort schaffen sie Arbeitsplätze und tragen zu den lokalen Produktionsstrukturen bei.

Eine wichtige und in manchen Fällen unverzichtbare Grundlage für diese Investitionen stellen die Investitionsschutzabkommen der EU-Länder mit Drittstaaten dar. Seit dem Lissabonner-Vertrag sind die EU-Institutionen zuständig für die Investitionspolitik und haben im Zuge der Kritik während der TTIP-Debatte einen Reformprozess des international geltenden Investitionsschutzrechts eingeleitet (Kolev, 2016). So findet sich etwa im Abkommen mit Kanada ein neuer Ansatz für den Investitionsschutz, der für mehr Transparenz und klare Regeln der Verfahren sorgt und einen wesentlichen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit des internationalen Investitionsschutzrechts leistet.

Literatur

Europäische Kommission, 2018, EU concept paper on WTO reform, http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2018/september/tradoc_157331.pdf [6.5.19]

Eurostat, 2019, Zahlungsbilanz – Internationale Transaktionen (BPM6), https://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database [29.4.19]

Kolev, Galina, 2016, Die Befürchtungen sind unbegründet, Bundeszentrale für politische Bildung, Dossier Freihandel versus Protektionismus, http://www.bpb.de/politik/wirtschaft/freihandel/234808/die-befuerchtungen-sind-unbegruendet [6.5.19]

Kolev, Galina, 2019, Empirical Analysis of Protectionist Attitudes in the EU, IW-Report 9/19, https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Report/PDF/2019/IW-Report_2019_Protectionism.pdf [6.5.19]

Matthes, Jürgen, 2019, Handelspolitische Instrumente zum Umgang mit Wettbewerbsverzerrungen durch China, IW-Report 12/19, https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Report/PDF/2019/IW-Report_2019-Handelspolitische_Schutzinstrumente.pdf [6.5.19]

UNCTAD – United Nations Conference on Trade and Development, 2019, https://unctadstat.unctad.org/wds/ReportFolders/reportFolders.aspx?sCS_ChosenLang=en [29.5.19]

WTO – Welthandelsorganisation, 2019, https://data.wto.org/ [29.4.19]

 

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Autor:

Prof. Dr. Galina Kolev ist Senior Economist beim Institut der deutschen Wirtschaft und forscht im Bereich Internationale Wirtschaftsordnung und Konjunktur.

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