ESM: Die Startrampe für die Bazooka!
Im Sommer nimmt der dauerhafte “Europäische Stabilitätsmechanismus” (ESM) seine Arbeit auf. Eine Bankenlizenz für den Rettungsfonds würde den Weg zur Staatsfinanzierung über die Notenpresse ebnen. Das wäre fatal. Doch Deutschland kann das Schlimmste noch verhindern.
Es ist unbestritten – eine Banklizenz für den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) hätte gefährliche Folgen. Die Tür zur Monetarisierung der Staatsschulden wäre damit noch weiter aufgestoßen. Man muss sich klar machen, wieso diese Diskussion überhaupt geführt wird.
Das Damokles-Schwert vom Scheitern des Euro hing an drei dünnen, seidenen Fäden über der Währungsunion. Der erste wurde bereits beim Kuhhandel über die Länge der Amtszeit von Wim Duisenberg anlässlich der Gründung der Europäischen Zentralbank (EZB) zerrissen. Das war der erste Hinweis, dass die nationalen Vertreter in der EZB nicht wie geplant unabhängig handeln würden. Die No Bailout-Klausel war der zweite Faden. Er wurde zerschnitten, als die Politik den Griechenland-Bailout beschlossen hat. Der dritte seidene Faden war das Verbot der monetären Staatsfinanzierung. Der von Sonderinteressen geleitete Aufkauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt hat ihn angerissen, doch noch hält er! Mit der unendlichen Bazooka soll aber auch er durchtrennt werden.
Dem stehen die Europäischen Verträge entgegen – zum Leidwesen des Club Med. Um die EZB für fiskalpolitische Aufgaben missbrauchen zu können, braucht man ein Hilfsvehikel – der ESM. Er stellt die rechtliche Infrastruktur für die unmittelbare Staatsfinanzierung bereit. Die Bundesregierung konnte dies nicht verhindern.
Denn vertragsgemäß darf der ESM Kredite bei Banken und sonstigen Personen und Institutionen aufnehmen. Dazu gehört auch die EZB. Der unmittelbaren Staatsfinanzierung stehen nun lediglich noch zwei Hindernisse im Weg: Erstens fehlt die Munition, dazu muss die EZB den ESM zur Teilnahme an ihren Tender-Geschäften zulassen. Zweitens muss der Abzug gedrückt werden. Dazu muss sein Direktorium dem ESM die Kapitalaufnahme bei der EZB erlauben. Denn das Direktorium, nicht der bekanntere Gouverneursrat, hat die Befugnis zur Festlegung entsprechender Leitlinien. Der Beschluss über die Leitlinien erfolgt mit qualifizierter Mehrheit von 80 Prozent. Deutschland hat mit rund 27 Prozent anfänglichem Stimm- und Kapitalanteil ein faktisches Vetorecht im Direktorium.
Aber: Das deutsche Veto besteht nur bei pünktlicher Bezahlung aller Beiträge an den ESM. Der Zugang des ESM zu Zentralbankgeld gegen den Willen der Bundesregierung oder des Parlaments kann daher nur verhindert werden, wenn und solange Deutschland seine Beiträge rechtzeitig zahlt. Die Beitragszahlungen kann die Bundesregierung nicht mehr allein verhindern. Denn wenn der ESM Verluste schreibt, gilt für den Abruf des bereits genehmigten und noch nicht eingezahlten Kapitals die einfache Mehrheit im Direktorium. Wenn der ESM Zahlungen an seine Geldgeber leisten muss, die nicht anders als durch Kapitalabruf bei den ESM Mitgliedern zu befriedigen sind, dann genügt sogar die Abforderung durch den Geschäftsführenden Direktor des ESM.
Mit dem ESM ist daher die Startrampe für die unendliche Bazooka errichtet worden. Sie wartet nur noch auf Munition und darauf, dass jemand den Abzug zieht. Das eine lässt sich gar nicht, das andere nur verhindern, wenn Deutschland dauerhaft seinen Verpflichtungen nachkommt. Zum Start des ESM beträgt die Höhe dieser Verpflichtungen bereits mehr als 190 Milliarden Euro. Wir wissen nun, wie teuer der Bundesregierung der letzte seidene Faden ist, an dem der Euro hängt.
Dieser Beitrag ist in einer Langfassung am 19.02.2012 im Handelsblatt erschienen.
Autor:
Frank Schäffler war bis 2013 Abgeordneter der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag.