Entwicklungsländer durch Handelsliberalisierung stärken!
In den letzten 30 Jahren haben sich die Lebensverhältnisse in den ärmsten Ländern deutlich verbessert. Damit diese Entwicklung sich fortsetzen kann, sollten schlecht entwickelten Länder stärker in die internationale Arbeitsteilung und in den internationalen Handel eingebunden werden.
Der folgende Policy Brief (.pdf) entstand auf Grundlage des Econwatch-Meetings „Welche Entwicklungspolitik hilft wirklich?“ mit Prof. Dr. Stephan Klasen, Professor an der Universität Göttingen. Das Video wurde im Vorfeld der Veranstaltung aufgenommen.
Entwicklungshilfe und entwicklungspolitische Zusammenarbeit sollen dazu beitragen, die Lebensverhältnisse und ökonomischen Chancen der Menschen in schlecht entwickelten Ländern zu verbessern. In der aktuellen Diskussion um die Migration wird gefordert, stärker an den Ursachen in den Herkunftsländern anzusetzen, um die Migrationsströme zu verringern. Neben kriegerischen Auseinandersetzungen sowie den Folgen der Erderwärmung sind wirtschaftliche und soziale Missstände wichtige Ursachen für Migrationsbewegungen. In den letzten 30 Jahren haben sich die Lebensverhältnisse in den ärmsten Ländern deutlich verbessert. Dies ist jedoch nur zu einem geringen Teil auf Entwicklungshilfe zurückzuführen. Denn internationale Entwicklungshilfezahlungen machen nur einen relativ geringen Anteil am Einkommen der Empfängerländer aus. Zudem beeinflusst Entwicklungshilfe das Wirtschaftswachstum in den Empfängerländern nur wenig.
Entwicklungshilfe sollte daher nicht überschätzt werden. Eine bessere Entwicklungspolitik wäre, die schlecht entwickelten Länder stärker in die internationale Arbeitsteilung und in den internationalen Handel einzubinden. Dazu sind weitere Handelsliberalisierungen notwendig – vor allem die weitere Öffnung der Märkte in Industrieländern für die Produkte aus Ent- wicklungsländern. Entwicklungshilfe wiederum sollte stärker auf Beratung und technische Hilfe ausgerichtet werden und auf wachstums- und investitionsfreundliche Rahmenbedingungen setzen. Auch sollte Entwicklungshilfe stärker fokussiert und international koordiniert werden.
In den letzten 30 Jahren sind Entwicklungsländer wirtschaftlich schneller gewachsen als je zuvor. Damit verbunden war eine Reduktion der absoluten Armut. So ging der Anteil derjenigen, die weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag zum Leben haben, von 1981 bis 2015 von gut 50 Prozent auf 15 Prozent zurück. Damit wurde das Millennium Deve lopment Goal, den Anteil der Menschen, die in extremer Armut leben, zwischen 1990 und 2015 zu halbieren, bereits fünf Jahre früher erreicht als vereinbart.
Allerdings existieren regionale Unterschiede: Während die ostasiatischen Länder , insbesondere China, gewaltige Fortschritte gemacht haben, sind die Staaten südlich der Sahara noch recht weit davon entfernt, das Ziel zu erreichen. Ähnliche Unterschiede zwischen den Regionen zeigen sich auch bei der Lebenserwartung, dem Rückgang der Kindersterblichkeit und bei der Bildung.
Dass die afrikanischen Staaten nur relativ geringe Entwicklungsfortschritte erzielen konnten, obwohl sie seit Jahrzehnten die meiste Unterstützung erhalten, weist darauf hin, dass Entwicklungshilfe nur eine begrenzte Wirkung hat.
Ein Grund dafür ist auch, dass die internationalen Entwicklungshilfezahlungen an die einzelnen Länder relativ gering sind. So betrugen 2014 die offiziellen Entwicklungshilfezahlungen (official development assistance, ODA) der im Development Assistance Committee der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zusammengeschlossenen Geberländer knapp 140 Milliarden US-Dollar. Dies ist zwar ein Rekordhoch, entspricht aber nur einem Anteil von 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts dieser Länder. Zudem hat Entwicklungshilfe nur einen geringen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum in den Empfängerländern. Daher ist auch nicht zu erwarten, dass es mit Entwicklungshilfe gelingen kann, die aktuellen Ursachen von Flucht und Migration zu bekämpfen.
Für den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolg eines Landes spielen neben der geografischen Lage institutionelle Rahmenbedingungen wie ein funktionierendes Rechtssystem, klar definierte Eigentumsrechte und faire Wettbewerbsbedingungen eine entscheidende Rolle. Entwicklungshilfe sollte daher beratend gerade an diesen Rahmenbedingungen ansetzen. Zudem sollten die Forschung und Entwicklung für relevante Medikamente und Impfstoffe sowie für Agrar- und Klimaschutztechnologien intensiviert und der Technologietransfer verstärkt werden.
Um die Wirksamkeit von Entwicklungshilfe zu verbessern, sollte die Hilfe stärker fokussiert, anreizkompatibler gestaltet sowie international besser koordiniert werden. Derzeit ist sie national wie auch international stark fragmentiert. So vergibt Deutschland seine ca. 6,5 Milliarden Euro bilaterale Entwicklungshilfe an 80 Länder, in denen jeweils eine Vielzahl von Projekten gefördert werden. Eine Fokussierung auf weniger Länder könnte die Effektivität der Hilfe erhöhen.
Insbesondere Länder, die inzwischen nicht mehr zu den Entwicklungsländern zählen, bedürfen auch keiner weiteren Unterstützung durch Entwicklungshilfe. Dem steht allerdings entgegen, dass Entwicklungshilfe neben Katastrophenhilfe, Wachstumsförderung und Armutsreduktion auch darauf abzielt, bilaterale Beziehungen zu pflegen und wirtschaftliche Interessen zu fördern. Gerade der Wettbewerb der Geberländer um Exportmärkte und wichtige Rohstoffe ist ein Grund für die internationale Fragmentierung der Entwicklungshilfe und mangelnde Kooperation zwischen den Geberländern.
Um die Lebensbedingungen in den ärmsten Ländern zu verbessern, ist mehr notwendig als Entwicklungshilfe. Weit wichtiger ist die Integration der Entwicklungsländer in die internationale Arbeitsteilung und den internationalen Handel. Dazu sollte die Handelsliberalisierung weiter vorangetrieben und Entwicklungsländern ein besserer Marktzutritt gewährt werden. Das Ende 2013 beschlossene „Bali-Paket“ der Welthandelsorganisation, in dem sich die WTO-Mitgliedstaaten verpflichtet haben, die Zölle stark zu senken und die Zollabwicklung zu vereinfachen, war das erste nennenswerte Abkommen seit Beginn der Doha-Runde 2001. Weitere Schritte sind notwendig.
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Autor:
Dr. Susanne Cassel und Dr. Tobias Thomas sind Vorsitzende bei Econwatch, einer gemeinnützigen und unabhängigen Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, verständlich und wissenschaftlich fundiert über Wirtschaftspolitik zu informieren und Reformmöglichkeiten aufzuzeigen.