Eine Klimawelt: Warum wir einen globalen CO2-Preis brauchen
Die Europäische Union sollte ihre Vorreiterrolle bei der Klimapolitik nutzen, um ein neues weltweites Klimaschutzabkommen auf den Weg zu bringen, das effektiver ist als das auf einem Sammelsurium von freiwilligen Selbstverpflichtungen beruhende Pariser Abkommen. Das Ziel: ein global einheitlicher CO2-Preis.
Kaum im Amt, hatte die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Ende 2019 den „Green Deal“ vorgestellt. Kern des Green Deals sind zwei Ziele:
- Erstens soll die Europäische Union bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden. Spätestens dann sollen sämtliche Treibhausgase vermieden, gespeichert oder durch Maßnahmen wie Aufforstung ausgeglichen werden. Nötig dafür wäre ein kompletter Umbau von Industrie, Energieversorgung, Verkehr, Wohnungs- und Landwirtschaft.
- Zweitens: Um das 2050-Ziel zu erreichen, wurde jüngst das EU-Klimaschutzziel für 2030 verschärft. Bislang peilte die EU an, bis zum Jahr 2030 40 Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen als im Jahr 1990 − ein bereits ohnehin ambitioniertes Ziel. Stattdessen lautet das neue Ziel nun, die Emissionen in der Europäischen Union bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Angesichts der bisherigen Senkung der Treibhausgasemissionen der Europäischen Union um rund 25 Prozent gegenüber 1990 bedeutet dieses neue Ziel, dass die Emissionen innerhalb lediglich eines Jahrzehnts um weitere 30 Prozentpunkte gesenkt werden müssen – ein extrem ambitioniertes Ansinnen verglichen mit den Emissionsminderungen von rund 25 Prozent in den seit 1990 vergangenen drei Jahrzehnten.
Um das neue Ziel zu erreichen, soll bis 2030 eine Billion Euro investiert werden. Diese Investitionen sollen als Wachstumsmotor für Europa fungieren und dazu führen, dass die EU bis 2050 zugleich klimaneutral und zum weltweiten Spitzenreiter bei grüner Technologie und Industrie wird.
„Die Vorreiterrolle der EU beim Klimaschutz mit dem Green Deal noch weiter ausbauen zu wollen, dürfte nutzlos sein, solange es kein effektives globales Klimaabkommen gibt.“
Allerdings ist es angesichts der durch den EU-Austritt Englands ohnehin steigenden Zahlungen der Mitgliedstaaten an Brüssel fraglich, woher die zusätzlichen Mittel von einer Billion Euro kommen sollen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass hauptsächlich bereits anderweitig vorgesehene Mittel lediglich umgewidmet oder umetikettiert werden, aber der Anteil der tatsächlich zusätzlich aufgebrachten Mittel sich in Grenzen halten wird.
Zur Zielerreichung ist darüber hinaus ein ganzes Bündel an Maßnahmen vorgesehen, insbesondere die aus umweltökonomischer Perspektive sehr zu begrüßende Ausweitung des Emissionshandels auf weitere Sektoren wie den Straßenverkehr, den Gebäudebereich und die Landwirtschaft. Dies wäre insbesondere beim Verkehrssektor sehr angebracht, statt weiterhin die Umweltstandards in Form von Obergrenzen für den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) je Kilometer bei neu zugelassenen Pkw zu verschärfen. In jedem Fall ist davon auszugehen, dass durch den Green Deal nicht nur die Kosten für das Autofahren weiter steigen, sondern auch für das Heizen von Wohnungen und für viele andere Zwecke, für die fossile Brenn- und Kraftstoffe eingesetzt werden.
Die Vorreiterrolle der EU beim Klimaschutz mit dem Green Deal noch weiter ausbauen zu wollen, dürfte allerdings nutzlos sein, solange es kein effektives globales Klimaabkommen gibt. Dies zeigt die Erfahrung: Als weltweit einzige Region konnte die EU ihre CO2-Emissionen seit 1990 senken. Sie verringerten sich dort zwischen 1990 und 2019 um 25 Prozent, von 4,4 auf 3,3 Milliarden Tonnen, während sich die globalen Emissionen erhöhten, von rund 23 auf 38 Milliarden Tonnen im Jahr 2019. Insbesondere in China stiegen die CO2-Emissionen in diesem Zeitraum massiv an, von 2,4 auf rund 12 Milliarden Tonnen.
Vor diesem Hintergrund sollte die EU-Kommission ihre durch den Green Deal manifestierte Vorbildfunktion in der Klimaschutzpolitik dazu nutzen, ein neues weltweites Klimaschutzabkommen auf den Weg zu bringen, das effektiver ist als das auf einem Sammelsurium von freiwilligen Selbstverpflichtungen beruhende Pariser Klimaschutzabkommen.
Bevor Bürgern und Unternehmen immer größere Lasten aufgebürdet werden, die den EU-Ländern wirtschaftlich schaden könnten und zu einem einseitigen Rückgang der Emissionen in der EU, jedoch nicht zu einer Senkung der globalen Emissionen führen, sollte die Kommission auf den Abschluss eines möglichst viele Länder umfassenden Abkommens über einen global einheitlichen CO2-Preis drängen. Dies wäre das von vielen namhaften Ökonomen − darunter auch der Alfred-Nobel-Gedächtnispreisträger William Nordhaus − bevorzugte Klimaschutzinstrument und hätte neben Kosteneffizienz viele Vorteile, etwa dass die politische Umsetzung eines global einheitlichen CO2-Preises jedem Land individuell überlassen bleiben und in der Praxis relativ einfach erfolgen kann, zum Beispiel mittels der Einführung von CO2-Steuern.
Mit einem Abkommen über einen global einheitlichen CO2-Preis, das von einer Mehrheit der bedeutendsten Emittenten-Ländern unterzeichnet wird, würden Grenzausgleichssteuern, wie sie derzeit von der Europäischen Union aus Wettbewerbsgründen zum Ausgleich der Klimaschutzkosten der heimischen Industrie in Erwägung gezogen werden, obsolet. Darüber hinaus dürften die Bemühungen um ein globales Preisabkommen für weit weniger Verdruss sorgen als der Versuch der einseitigen Etablierung von Klimaschutzzöllen durch die EU, mit denen nur weitere Barrieren im internationalen Handel errichtet würden.
Darüber hinaus sollte die Kommission die Mittel für Forschung und Entwicklung drastisch erhöhen, um die für nachhaltiges Wachstum unabdingbaren Innovationen auszulösen und dadurch die CO2-armen Energietechnologien der Zukunft zu finden. Allein mit den bestehenden erneuerbaren Energietechnologien wie Windkraft und Photovoltaik wird das ultimative Ziel der Treibhausgasneutralität nicht zu erreichen sein. Nur mit einer Innovationsoffensive und einem globalen CO2-Preis-Abkommen dürften sich die globalen Emissionen tatsächlich jemals nachhaltig verringern lassen.
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Autor:
Prof. Dr. Manuel Frondel ist außerplanmäßiger Professor für Energieökonomik und angewandte Ökonometrie an der Ruhr-Universität Bochum und Leiter des Kompetenzbereichs „Umwelt und Ressourcen“ am RWI.