Die Schuldenbremse: Wie wertvoll ist sie wirklich?

Ab 2020 müssen dürfen die Bundesländer keine neuen Schulden mehr machen. Der Konsolidierungscheck zeigt, wer Fortschritte macht und wer nicht.Ab dem Jahr 2020 dürfen die Bundesländer keine neuen Schulden machen – so will es die Schuldenbremse. Doch längst nicht alle Länder machen Fortschritte. Das zeigt eine aktuelle Studie.

Deutschland hat sich bei der Föderalismusreform 2009 eine Schuldenbremse gegeben. In ihr sind Höchstgrenzen für die Defizite von Bund und Ländern verankert. Die Länder haben allerdings bis 2020 eine Übergangsfrist, die sie nach eigenem Ermessen gestalten dürfen. D.h. ab 2020 dürfen sie in konjunkturell normalen Situationen keine Defizite mehr machen. Wie sie bis dahin gegebenenfalls nötige Reformen oder Haushaltskonsolidierungen gestalten, bleibt ihnen selbst überlassen. Nur für fünf Bundesländer gibt es eine Ausnahme: Berlin, Bremen, das Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Sie erhalten vom Bund Konsolidierungshilfen und haben sich im Gegenzug verpflichtet, ihre Defizite ab 2010 gleichmäßig abzubauen. Kontrollieren, ob diese Länder ihre Verpflichtungen wirklich erfüllen, soll der neu gegründete Stabilitätsrat. Er beschließt darüber, ob ein Land seinen Verpflichtungen nachkommt oder nicht.

Empirische Ergebnisse zeigen, dass in Ländern, die Beschränkungen von öffentlichen Defiziten und Schulden haben, die Haushaltsdisziplin grundsätzlich größer ist. Grundsätzlich bedeutet, dass es auch Ausnahmen gibt. So erzielten Regeln für die höchste, zentralstaatliche Ebene tendenziell die größte fiskalische Disziplin, wohingegen die Wirkung bei nachgeordneten Gebietskörperschaften geringer ist. Gerade deshalb ist der Stabilitätsrat als Überwachungsorgan so wichtig.

Der tut sich aber schwer mit seiner Funktion. Denn es gibt zwar klare Regeln, wie die Bundesländer ihre Haushalte aufstellen sollen, aber keinen Automatismus, was im Falle einer Verfehlung passiert. Ähnlich wie beim Stabilitäts- und Wachstumspakt der Europäischen Union müssen die Mitglieder des Stabilitätsrates zunächst beschließen, dass ein Land die gesetzten Ziele verfehlt. Bleibt ein solcher Beschluss aus, sind keine weiteren Ermahnungen oder gar Rügen zu fürchten. Fazit: Potenzielle Sünder entscheiden darüber, ob einer aus ihrem Kreis tatsächlich gesündigt hat. Wer will da schon den ersten Stein werfen? Die Folgen dieses Verhaltens sind bekannt. Als 2003 die EU-Kommission ein Defizitverfahren gegen Deutschland erwog, wurde flugs der Stabilitäts- und Wachstumspakt fortentwickelt und die Gefahr war gebannt. Denn eine große Zahl weiterer Euro-Länder hatte ebenfalls mit Haushaltsproblemen zu kämpfen.

Bei der nationalen Schuldenbremse ist Bremen nun zu einem ähnlichen Präzedenzfall geworden. Der „Schuldencheck Bundesländer“ der INSM hatte Bremen ein schlechtes Zeugnis ausgestellt und der Stabilitätsrat hat ebenfalls Defizite im Haushalt erkannt, die die Gefahr bergen, dass Bremen die Schuldenbremse künftig verletzt. Aber anstatt konkrete Maßnahmen zu fordern, was eigentlich vorgesehen wäre, bittet der Stabilitätsrat lediglich um verstärkte Konsolidierungsbemühungen.

Diese Entscheidung verwundert umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass Bremen vom Bund und den anderen Ländern jährlich 300 Millionen Euro zur Konsolidierung seines Haushaltes erhält. Dies ist, wie oben angemerkt, der Grund, weshalb Bremens Konsolidierungsfortschritte so genau überwacht werden. Aber anstatt das Defizit abzubauen, geben die Bremer lieber mehr aus. Zwar können die Konsolidierungshilfen ausgesetzt werden, wenn Bremen den gleichmäßigen Abbau seines Defizits nicht umsetzt. Aber wie der Stadtstaat dann künftig die Schuldenbremse einhalten soll, ist völlig unklar. Deshalb wäre es so wichtig gewesen, dass der Stabilitätsrat frühzeitig konsequent handelt und keine Abweichung vom Konsolidierungspfad duldet.

Es steht zu hoffen, dass diese Ausnahme nicht zur Regel wird. Denn der nächste Fall, in dem ein Land die Haushaltsdisziplin vernachlässigt, kommt bestimmt. Bei einer erneuten Nachlässigkeit des Stabilitätsrates würde die Schuldenbremse zum zahnlosen Tiger. Dies hätte erhebliche Folgen, nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa. Denn das Ausland schaut genau auf Deutschland: Wenn der stärkste Befürworter der Schuldenbremse diese zuhause nicht einhält, wird auch kein Politiker in einem überschuldeten Krisenstaat mehr eine Notwendigkeit sehen, sich daran zu halten.

Den gesamten Konsolidierungscheck 2013 finden Sie hier.

Autor:

Ralph Brügelmann ist Experte für öffentliche Haushalte und soziale Sicherung am Institut der Deutschen Wirtschaft Köln (IW).

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