Die Rente mit 63 untergräbt den Generationenvertrag
Kurz bevor die geburtenstarken Jahrgänge das Renteneintrittsalter erreichen, dreht die große Koalition die erfolgreiche Reform der Rentenversicherung wieder zurück und schlägt dabei alle Bedenken der Experten aus. Warum nur? Ein Erklärungsversuch.
Eigentlich ist es simple Logik: Wenn wir länger leben und gesund bleiben, beziehen wir auch immer länger Rente. Die Rentenbezugsdauer hat sich in den letzten 50 Jahren so beinahe verdoppelt. Darüber hinaus verschlechtert sich das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentenempfängern. Spätestens wenn die geburtenstarken Jahrgänge aus dem Erwerbsleben ausscheiden, hat dies Konsequenzen für die Finanzierung der Alterssicherungssysteme: Entweder sinkt die Rente oder die Beiträge zur Rentenversicherung steigen müssen steigen – oder beides. Generationengerechtigkeit bedeutet, dass die Last des demografischen Wandels auf Jung und Alt gleichermaßen verteilt wird.
Das heißt: Wenn wir länger gesund und leistungsfähig bleiben, können und müssen wir auch länger arbeiten. Auch die Politik hatte diese Logik erkannt und das Renteneinstiegsalter schrittweise erhöht: Wer 1964 oder später geboren wurde, wird bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres arbeiten. Diese Reform war zwar umstritten, ihre Notwendigkeit aber letztlich auch in der Bevölkerung Konsens. Nur dadurch ist es gelungen, die Beitragsätze und das Rentenniveau zu stabilisieren. Die „Rente mit 63“ untergräbt diesen großen Erfolg und den Generationenvertrag.
Steuererhöhungen, steigende Arbeitskosten, Fachkräftemangel, höhere Arbeitslosigkeit, weitere Investitionsrückgänge – all diese prognostizierten Folgen sind nicht nur völlig unnötig. Sie führen vor allem zu der Frage, was eigentlich das Ziel der Politik ist.
Eine mögliche Antwort ist: Politiker handeln aus Eigeninteresse. Ihr Ziel ist es, die Anzahl der Wählerstimmen zu maximieren. Die älteren Wählerstimmen werden immer zahlreicher. Da liegt es nahe, vor allem diese Klientel zu bedienen.
Kurzfristig mag diese Taktik sogar aufgehen. Doch langfristig riskiert man nicht nur den Wohlstand der Beitragszahler, sondern auch der Rentner. Denn wenn die Interessen der Jungen an der Wahlurne keine Chance haben, stimmen sie mit ihren Füßen ab. Im Ausland freut man sich über gut ausgebildete Deutsche. Dann hätten die Interessen der Alten zwar eine Mehrheit – aber es wäre niemand mehr da, der deren Rente bezahlt.
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Autor:
Prof. Dr. Andreas Freytag ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er ist zudem als Honoraprofessor an der Universität Stellenbosch und am Institute for international Trade der Universität Adelaide tätig. Neben den Fragen zur deutschen und europäischen Wirtschaftspolitik interessieren ihn außenwirtschaftliche und entwicklungspolitische Themen.