Die Kunst der klaren Sprache

Wenn es um das Image der Ökonomen zurzeit nicht zum Besten bestellt ist, kann es durchaus auch daran liegen, dass sie sich nicht klar ausdrücken ⎼ und deswegen einfach nicht verstanden werden. Um dies zu ändern, hat Nils Hesse ein Handbuch des verständlichen Schreibens von Wirtschaftsthemen geschrieben. Es wurde auch höchste Zeit.

„Einer muss sich immer plagen: der Schreiber oder der Leser“, sagte einst der berüchtigte Leiter der Henri-Nannen-Schule und gestrenge Mentor der schreibenden Journalisten, Wolf Schneider. Und er ließ damals keinen Zweifel daran, dass natürlich der Schreiber sich zu plagen habe. Denn wer verstanden werden will, muss auch verständlich schreiben ⎼ so simpel so schwer. Genau darum geht es auch Nils Hesse. Der Volks- und Betriebswirt hat als Kommunikationsexperte nun mit seinem Buch „Wirtschaftsthemen  verständlich vermitteln ⎼ wie Sie mit ökonomischen Texten in Wissenschaft, Verwaltung und Unternehmen überzeugen“ einen längst überfälligen Leitfaden zusammengestellt, um vor allem den Ökonomen endlich klares Formulieren und richtiges Deutsch beizubringen. Dieses soll der Zielgruppe nicht nur das Lesen erleichtern, sondern sie im Idealfall auch unterhalten oder sogar fesseln.

Spötter könnten nun behaupten, dass es angesichts einer solchen Aufgabe leichter ist, mit Sisyphos auf ewig einen Felsblock den Berg hinauf zu wälzen. Doch Autor Hesse macht schnell klar: Wer seine Sprachkompetenz gerade im geschriebenen Wort verbessert, optimiert sein gesamtes Auftreten und wirkt überzeugender. Für viele, die sich gerne im jährlichen Ökonomen-Ranking der FAZ sehen, das sich an Qualität und Quantität der publizierten Meinung in den Medien orientiert, dürfte das Motivation genug sein, auch dieses Buch in die Hand zu nehmen.

Es könnte sich durchaus lohnen. Denn seit der Finanzkrise 2007 ist es um das Image des Ökonomen nicht gut bestellt. Die Blindheit, mit der viele angesichts der gigantischen Krise geschlagen waren, hat ihre Glaubwürdigkeit erschüttert. Dass manchen dann auch noch ihr verquastes Deutsch angelastet wurde, war das Salz in der Suppe des Spottes. Einer Umfrage der Uni Köln aus dem Jahr 2009 zufolge halten nur 15 Prozent der Befragten in Deutschland Ökonomen für glaubwürdig. 80 Prozent sind der Ansicht, die Gesellschaft würde auch ohne Ökonomen gut auskommen. Ein hartes Urteil. Doch Hesse relativiert, dass es Ökonomen in Deutschland auch nicht so leicht haben: „Viele Menschen wollen von Wirtschaft gar nicht viel verstehen“, schreibt Hesse, „Bildungsbürger verstehen was von Philosophie, Geschichte, Kunst und Kultur. Bei Zinseszins, Opportunitätskosten, Steuererklärungen, Bausparverträgen und Leistungsbilanzen überlassen sie das Feld gerne anderen.“ Diese Haltung ändere sich heute nur allmählich.

Unklarheiten beginnen im Kopf des Autors

Auch beim durchschnittlichen Leser ist für Ökonomen nicht viel zu holen: „Für viele Zeitungsleser ist der Wirtschaftsteil ungefähr so attraktiv wie ein Besuch beim Zahnarzt. Eine Stichtagsumfrage unter allen Zeitungslesern ergab, dass sich 78 Prozent der Befragten am Vortag den Lokalteil ansahen, aber nur 18 Prozent den Wirtschaftsteil. Ähnlich unbeliebt sind nur das Feuilleton und die Wissenschaftsseite.“ Doch ganz egal ob im Journalismus, der Wissenschaft, Lehre, Verwaltung und Politik oder ob in Blogs, sozialen Medien oder im Wirtschaftsunterricht in der Schule ⎼ alle müssen dazulernen: „Um redlich, klar und verständlich sein zu können, müssen Sie das Thema Ihres Textes schon verstanden haben“, meint Hesse, „nur dann können Ihre Leser Ihr Wissen korrekt decodieren.“ Unklarheiten beginnen im Kopf des Verfassers, breiten sich in Texten aus und landen schließlich bei den dann überforderten Lesern.

 

Hesse spart in seinem Buch nicht mit praktischen Tipps, empfiehlt Story-Telling für den Spannungsaufbau, erklärt die Wirkung von Worten, Überschriften, Sätzen und entlarvt in Beispieltexten Floskeln, Blähwörter und Euphemismen als Nebelkerzen. Mit Hilfe des sogenannten Hohenheimer Verständlichkeitsindex‘ zeigt Hesse, wie unterschiedlich Texte in ihrer Verständlichkeit wahrgenommen werden. Der Index reicht von 0 (sehr schlecht) bis 20 (sehr gut), also nur wenige Punkte erreichen zum Beispiel Artikel mit langen und verschachtelten Sätzen oder langen und abstrakten Wörtern. So erzielen Doktorarbeiten in Politikwissenschaft durchschnittlich nur 4,3 Punkte. „Doktoranden können sich das eher erlauben, da die Zielgruppe zunächst nur aus ihren Gutachtern besteht“, meint Hesse. Journalisten müssen da liefern: Die Wirtschaftsberichterstattung der FAZ und der Süddeutschen Zeitung liegt zwischen elf und 13 Punkten. Politik-Artikel in der Bild-Zeitung haben sogar eine durchschnittliche Verständlichkeit von angeblich 16,8 Punkten.

Auch wenn diese Presse hier gut abschneidet ⎼ von Journalisten lernen heißt noch lange nicht, Zahlen auch zu verstehen. Diese sinnvoll und verständlich zu präsentieren, muss Kernkompetenz eines jeden Wirtschafts- und Finanzexperten sein. So zählen Hesses Ratschläge, Kennzahlen zu finden, richtig zu deuten und zu vermitteln, zum wichtigsten Handwerkszeug seines Buchs.

Sein Hinweis zum Schluss des Buches, „Fünf-Cent-Gedanken nicht in Fünf-Euro-Worte zu verpacken“ ist allerdings viel zu klein gedruckt. Bescheidenheit in der Formulierung sind an richtiger Stelle oft das überzeugendste Argument ⎼ gerade in der Wirtschafts- und Finanzwelt.

Fazit

Nils Hesses Buch war längst überfällig und ist ein klassisches Handbuch des verständlichen Schreibens für Wirtschaftsthemen geworden. Wer an seiner Formulierungskompetenz und damit an seinem Gesamtauftritt feilen möchte, dem sei diese Schule der klaren Worte empfohlen.

Übrigens, wenn der Großmeisters der deutschen Sprache, Wolf Schneider, damals von seinen journalistischen Zöglingen sprach, ging nicht selten der Vaterstolz mit ihm durch, und er verstieg sich allzu gerne in dem Satz: „Ich habe so viele Kinder wie der Scheich von Kuwait, nur meine sind viel intelligenter.“ Mal sehen, ob und wie viele Abkömmlinge Hesses Buch eines Tages abwirft.

Nils Hesse: Wirtschaftsthemen verständlich vermitteln ⎼ wie Sie mit ökonomischen Texten in Wissenschaft, Verwaltung und Unternehmen überzeugen. Schäffer-Poeschel, Stuttgart 2019

Keinen Ökonomen-Blog-Post mehr verpassen? Folgen Sie uns auf Facebook, Instagram und Twitter, und abonnieren Sie unseren WhatsApp-Nachrichtenkanal, RSS-Feed oder einen unserer Newsletter.

Autor:

Dr. Martin Roos ist freiberuflicher Journalist. Er arbeitet als Autor, Ghostwriter und Redenschreiber für Unternehmen und Topmanager.

Datum:

Das könnte Sie auch interessieren