Die Krise kommt zurück
Europas Schwierigkeiten sind noch lange nicht überwunden. Die Probleme und die Krise drohen wieder zu eskalieren. Die nationalen Regierungen müssen nun dringend handeln.
Während die Krise in Europa noch längst nicht überwunden ist, nisten sich die Regierungen in einer Scheinwelt ein. Indem die EZB die Märkte mit Liquidität flutet, hält sie die Realität von den Politikern fern. Doch lange wird die Zentralbank nicht mehr den Retter spielen können. Sie ist schon jetzt überfordert und agiert außerhalb ihres Mandats.
Als einzige funktionierende EU-Institution soll die Notenbank alle wirtschaftlichen Probleme lösen. Zunächst war sie gezwungen, den Zusammenhalt des Euro-Gebiets zu retten. Nun soll sie Herausforderungen meistern, die eigentlich keine sind. Denn die Angst vor Deflation ist eine Paranoia. Die aktuelle Inflationsrate von 0,4 Prozent bedeutet Preisstabilität. Sie stärkt die Kaufkraft und damit den Konsum.
Die Geldschwemme gegen das Gespenst der Deflation soll nur verhindern, dass die Regierungen unangenehme Entscheidungen treffen müssen. Zwar haben einige Mitgliedsländer bereits gezeigt, das Strukturreformen helfen: Portugal, Irland, Spanien und Griechenland wachsen langsam wieder. Doch leider fehlt die politische Kraft und der Wille in wichtigen Staaten wie Frankreich oder Italien die notwendigen Reformen anzupacken.
Es geht nicht nur um mehr Wettbewerbsfähigkeit. Die Eurozone leidet unter den Folgen einer Bilanzrezession. In den Büchern der Banken lagern noch zu viele faule Kredite. Finanzinstitute, die eigentlich abgewickelt werden müssten, werden weiter am Leben gehalten. Wie man den Bankensektor saniert, zeigt Amerika. Dort haben seit 2008 mehr als 500 angeschlagene Geldhäuser den Markt verlassen. Auch wurde dort der Schuldenabbau von Haushalten und Unternehmen beherzter angegangen. Das gewonnene Vertrauen ins Finanzsystem und flexiblere Märkte sind Gründe für die schnellere wirtschaftliche Erholung der USA.
Noch ist es nicht zu spät, um zu handeln. Aber notwendige politische Entscheidungen auf nationaler Ebene, insbesondere in Frankreich und Italien, dürfen nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden. Sowohl die Geldpolitik als auch die Fiskalpolitik werden bei hoher Verschuldung und unbereinigten Bankbilanzen zunehmend wirkungslos. Ohne tiefgreifende und z.T. schmerzhafte Wirtschaftsreformen in den Mitgliedstaaten wird die Krise nicht überwunden werden können.
Autor:
Dr. Jürgen Stark Ehemaliger Chefvolkswirt und Mitglied im Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB), sowie Botschafter der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.