Die japanischen Lehren für die europäische Krise
Die schwelende Finanz- und Schuldenkrise hält die Europäische Union in Atem. Klamme Krisenstaaten ächzen unter Reformdruck. Im Norden wächst die Sorge um die Währungsstabilität, da die Schuldenstände weiter steigen. Die Erwartungen verstetigen sich, dass das Wachstum auf Dauer niedrig bleiben wird. Hinzu kommen drastische Einkommensunterschiede zwischen den Regionen Europas und alternde Gesellschaften in den meisten Mitgliedsstaaten der Union. Wie Japan zeigt, treiben alle drei Faktoren – allen Konsolidierungsbemühungen zum Trotz – die Staatsschuldung nach oben!
Japan hat nicht nur 15 Jahre vor Europa einen ähnlichen Boom-und-Krisen-Zyklus wie die europäischen Krisenstaaten durchlaufen, sondern es weist auch eine heterogene regionale Wirtschaftsstruktur und eine schnell alternde Gesellschaft auf. Die Wirtschaftskraft Japans konzentriert sich auf die Ballungszentren Tokio und Aichi (Toyota), für die das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf bei 180% bzw. 110% des Durchschnitts liegt. Der Anteil der über 64-Jährigen an der Bevölkerung hat sich von 12% im Jahr 1990 auf 24% 2012 verdoppelt. Er wird 2050 bei ca. 36% liegen.
Die Kombination von stagnierendem Wachstum, regionaler Heterogenität und alternder Bevölkerung ist ein treibender Faktor für Japans Staatsverschuldung. Einerseits sind seit dem Platzen der japanischen Blase Ende 1989 durch die anhaltende Stagnation die Steuereinnahmen kontinuierlich geschrumpft. Andererseits mussten, um das Gleichgewicht zwischen den wirtschaftlichen Zentren und den schwachen Regionen aufrecht zu erhalten, erhebliche Mittel in den regionalen Finanzausgleich fließen. Der Anteil des Finanzausgleichs an den Steuereinnahmen der Zentralregierung ist von 25% im Jahr 1990 auf 36% im Jahr 2012 angestiegen.
Gleichzeitig stellt die vergreisende Gesellschaft wachsende Ansprüche an die einst so schlanke soziale Sicherung. Der Anteil an den Steuereinnahmen ist von 13% im Jahr 1990 auf 29% im Jahr 2012 angewachsen. Die Ausgaben für den lokalen und gesellschaftlichen Zusammenhalt des Landes liegen damit heute bei ca. zwei Drittel der Steuereinnahmen, bei weiter steigendem Trend. Da andere Ausgabenbereiche wie Forschung und Bildung, Infrastruktur, Verteidigung oder Schuldendienst nicht entsprechend zurückgefahren wurden, ist der Anstieg der Staatsverschuldung als Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 67% im Jahr 1990 auf 238% im Jahr 2012 nicht verwunderlich.
Europa droht ein ähnliches Szenario. Die Unterschiede in der Wirtschaftskraft der Regionen sind noch deutlich ausgeprägter. Die Alterung der meisten europäischen Gesellschaften schreitet rasch voran. Die daraus unweigerlich resultierende steigende Staatsverschuldung wird wie in Japan den Druck auf die Europäische Zentralbank erhöhen den Zins weiter niedrig zu halten und Staatsanleihen zu kaufen. Doch gerade dies trübt die Wachstumsperspektiven. Wie Japan bräuchte deshalb auch Europa einen Ausstieg aus der Nullzinspolitik, um das Wachstum nachhaltig zu beleben (Schnabl 2012). Anders werden die Probleme der regionalen Heterogenität und der Alterung nicht lösbar sein.
Eine ausführliche Beschreibung der japanischen Lehren für die europäische Krise finden Sie hier.
Autor:
R. Fischer und Prof. G. Schnabl Prof. Schnabl ist Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig. Raphael Fischer ist Diplom-Volkswirt und Forschungsassistent am Institut für Wirtschaftspolitik der Universität Leipzig.