Die EZB sät die nächste Krise
Im Kampf gegen die niedrige Inflation hat die Europäische Zentralbank am Donnerstag eine historische Entscheidung getroffen: Der Leitzins wurde ein weiteres Mal auf einen neuen historischen Tiefststand von 0,05 Prozent gesenkt. Viel entscheidender ist jedoch das weitere Maßnahmenbündel. Durch den Aufkauf verbriefter Kredite, sogenannter Asset Backed Securities (ABS), will die Notenbank die Kreditvergabe der Banken ankurbeln.
Die EZB hat seit 2012 durch massive geldpolitische Interventionen den Preis des Geldes (also den Zins) auf ein historisch niedriges Niveau gedrückt. Entgegen der Lehrbuchmeinung sind damit aber keine Wachstumsimpulse gesetzt worden. Dies gilt insbesondere für die südeuropäischen Länder. Der Grund hierfür ist einfach: Die Investitionsbereitschaft der Unternehmen hängt nicht nur an den Kapitalkosten (also u.a. am Zins), sondern auch an den Wachstumserwartungen. Offensichtlich sind die Investoren nach wie vor sehr skeptisch im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone. Angesichts einer nach wie vor investitionsfeindlichen politischen Stimmung und einer fehlenden tatkräftigen Strategie, wie man die Eurozone aus der aktuellen Wachstumsschwäche befreien soll, ist das auch nicht überraschend. Dass Investoren angesichts der politischen Situation in Ländern wie Frankreich, Spanien oder Italien zurückhaltend sind, ist mehr als verständlich. Auch die erneute Zinssenkung wird daran nichts ändern.
Diese Probleme sind der EZB natürlich bewusst, weshalb sie jetzt einen außerordentlichen Schritt wagt: sie will den Preis des Risikos nach unten drücken, also die risikobedingten Kapitalkosten der Unternehmen senken. Kurzfristig mag diese Maßnahme sogar effektiver sein als die Niedrigzinspolitik. Der Preis dafür allerdings ist hoch: sofern nämlich die Risikoprämien tatsächlich gesenkt werden sollen, muss die EZB die entsprechenden Wertpapiere, z.B. Verbriefungen risikobehafteter Forderungen, aufkaufen und in ihre Bücher nehmen. Damit wird das Risiko von den Banken über die EZB am Ende dem Steuerzahler aufgebürdet. Insoweit reden wir hier von einem historisch einmaligen Vorgang, weil letztlich durch staatliche Interventionen der Marktpreis des Risikos manipuliert werden soll. Unabhängig von der Frage, ob sich die EZB mit diesem Programm überhaupt noch im Rahmen ihres Mandats bewegt, kann man davor nur warnen. Risiko und Haftung werden getrennt. Damit wird die Saat für die nächste Krise ausgebracht.
Autor:
Prof. Dr. Christoph Kaserer ist Professor für Finanzmanagement und Kapitalmärkte an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität München.