Die Bank von Japan schrumpft das Taschengeld der japanischen Anzugträger

Aktienkurse und der Taschengeldindikator. Wie sich die Geldpolitik von Shinzo Abe auf das Leben der Japaner auswirkt.

Im Dezember 2012 trat Japans Premierminister Shinzo Abe mit drei Pfeilen im Köcher an, um sein Land aus der seit mehr als 20 Jahren anhaltenden Stagnation zu reißen. Vor allem immense Wertpapierkäufe der Bank von Japan, aber auch zusätzliche Staatsausgaben und Strukturreformen sollten den Menschen die Erholung bringen. Inzwischen zeichnet sich ab, dass diese sogenannten Abenomics ein wirtschaftspolitischer Rohrkrepierer sind. Dies zeigt auch das Taschengeld der männlichen japanischen Büroangestellten, die Tag für Tag in blauen Anzügen in vollgestopften Zügen in die Geschäftsviertel der Großstädte pendeln.

Traditionell verdienen in Japan die Männer das Geld. Die Ehefrauen verwalten zu Hause die Einkünfte. Ein japanisches Sprichwort besagt, dass die Ehefrau die Schnüre des Geldbeutels zusammenhält. Dabei sind die japanischen Hausfrauen durchaus großzügig. 2017 erhielt der durchschnittliche männliche japanische Büroangestellte immerhin noch 37.428 Yen (knapp 300 Euro) pro Monat für Bars, Restaurants und andere Freizeitaktivitäten, an denen die Frauen nicht beteiligt sind.

Doch die guten Zeiten sind schon lange vorbei. Als in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre die Bank von Japan mit billigem Geld die Aktien- und Immobilienpreise nach oben peitschte, stiegen die Löhne, die Boni und das Taschengeld. Zwischen 1985 und 1990 wuchsen sowohl die Aktienpreise als auch das Taschengeld um jeweils ca. 50 Prozent (siehe Abbildung). Auf der Spitze der Blase im Jahr 1990 lag das Taschengeld bei durchschnittlich knapp 80.000 Yen (gut 600 Euro). Das Zechen in den Bars kannte keine Grenzen.

Seit dem Platzen der Blase ist es sowohl mit den Börsenkursen als auch mit dem Taschengeld steil abwärtsgegangen. Bis zum Einsetzen der Abenomics im Januar 2013 waren die Aktienpreise um 73 Prozent und das Taschengeld der japanischen Anzugträger um 51 Prozent gefallen, obwohl die Bank von Japan mit immer noch mehr billigem Geld die Krise zu verhindern suchte. Die japanischen Hausfrauen scheinen sich bei der Dosierung des Taschengeldes mehr von den Finanzmärkten als von der Lohnentwicklung leiten zu lassen. Das Kürzen des Taschengeldes setzte bereits 1991 ein, obwohl das durchschnittliche Lohniveau in Japan erst seit 1998 fällt.

Der Taschengeldindikator sagt auch etwas über den Erfolg der Abenomics aus Sicht der japanischen Mittelschicht aus. Denn die erneute Geldflut unter Zentralbankpräsident Haruhiko Kuroda, der immerhin Staatsanleihen und andere Wertpapiere in Höhe von 305 Billionen Yen (ca. 2400 Mrd. Euro) gekauft hat, ist – im Gegensatz zu den 1980er Jahren – an den Hosentaschen der meisten Japaner vorbeigegangen. Während die Abenomics die Aktienpreise um immerhin 90 Prozent aufgeblasen haben, schrumpft das Taschengeld weiter.

Das könnte bedeuten, dass zwar einige wenige reiche Japaner vom neuen Aktienpreisboom profitieren, die meisten aber wegen fallender oder stagnierender Löhne – die nicht zuletzt der Geldflut zuzuschreiben sind – den Gürtel enger schnallen müssen. Das zeigt einmal mehr, wie ungerecht die Politik des billigen Geldes ist, die die Reichen reicher und die Mittelschicht ärmer macht. Das dürfte nicht nur für Japan, sondern auch für Deutschland gelten, wo Mario Draghi zwar Aktien- und Immobilienpreise steil nach oben treibt, die Löhne aber nur wenig steigen.

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Autor:

Prof. Dr. Gunther Schnabl und Taiki Murai Prof. Schnabl ist Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig. Taiki Murai ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftspolitik

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