Die Antworten auf den Roboter heißen Bildung und Beteiligung
Eigentlich könnten Roboter Köche ersetzen. Dennoch kochen in 99,9 Prozent aller Küchen Menschen. Warum? Weil nicht alles, was technisch möglich, ökonomisch sinnvoll ist. Richtig ist aber auch: Die Automatisierung hat Folgen für die Arbeitswelt. Die Politik ist gefordert.
Dieser Policy Brief entstand auf Grundlage des ECONWATCH-Meetings „Roboter
– macht Fortschritt arbeitslos?“ mit Prof. Dr. Jens Südekum (Düsseldorf Institute for Competition Economics DICE) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung
Berlin. Das Video wurde im Vorfeld der Veranstaltung aufgenommen.
In der öffentlichen Debatte tauchen immer wieder Horrorszenarien auf, wonach mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze durch den Einsatz von Robotern und Digitalisierung verloren gingen. Solche Meldungen sind nicht neu. Ähnliche Nachrichten gab es auch schon in den 1960er und 1970er Jahren im Kontext der Automatisierung und im 18. und 19. Jahrhundert im Zusammenhang mit der Industrialisierung. Trotz vielfältiger Befürchtungen ist allerdings zumindest die Beschäftigung insgesamt durch technischen Fortschritt bisher nicht zurückgegangen. Im Gegenteil: So ist die Beschäftigung heute in Deutschland höher als je zuvor. Jedoch kann sich der zunehmende Einsatz von Robotern in der Produktion neben kurzfristigen Friktionen auf dem Arbeitsmarkt dämpfend auf die Löhne einiger Arbeitnehmergruppen bei gleichzeitig steigenden Gewinneinkommen auswirken. Um die Arbeitnehmer an den steigenden Gewinnen teilhaben zu lassen, sollten die Möglichkeiten der Mitarbeiterbeteiligung erweitert werden. Zudem sollten mit Bildung und beruflicher (Weiter-)Qualifikation die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass Arbeitnehmer sich an die Technisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt anpassen können.
Viele der heutigen Befürchtungen, dass menschliche Beschäftigte bald durch Roboter ersetzt würden, gehen auf die Studie „The Future of Employment: How Susceptible are Jobs to Computerization?“ von Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne aus dem Jahr 2013 und verwandte Studien zurück, die teils kräftige mediale Verbreitung gefunden haben. In den Studien wurde auf Basis von Experteninterviews für einige Berufe abgeschätzt, inwiefern sie durch Maschinen ersetzt werden können. Die Ergebnisse wurden dann auf eine Vielzahl von Berufen hochgerechnet. Für die Frage, ob ein Beruf gefährdet ist oder nicht, wurden Schwellenwerte für die Anteile der Substituierbarkeit eines Berufs beliebig gesetzt. Zum Beispiel gilt bei Frey und Osborne ein Beruf als gefährdet, wenn 70 Prozent der in ihm vereinten Tätigkeiten in absehbarer Zeit ersetzt werden könnten. Frey und Osborne kommen so zu dem beunruhigenden Ergebnis, dass 47 Prozent aller Berufe „stark” bedroht seien.
Was diese Studien allerdings nicht behandeln, ist die Frage, ob Berufe, die technisch substituierbar sind, auch tatsächlich ersetzt werden. Ob menschliche Arbeit durch Maschinen ersetzt wird, ist nämlich keine technische, sondern eine ökonomische Frage: In der Produktion werden Menschen nicht überall dort ersetzt, wo dies technisch möglich ist, sondern dort, wo es sich ökonomisch lohnt. So können aus technischer Sicht zwar mittlerweile Köche durch Roboter ersetzt werden. Dennoch kochen in 99,9 Prozent aller Küchen Menschen.
Allerdings ersetzen Technologien bereits heute einzelne menschliche Tätigkeiten, z. B. in der Industrieproduktion. Dies muss aber nicht zu geringerer Beschäftigung insgesamt führen, denn die Automatisierung reduziert die Produktionskosten, was zu sinkenden Konsumentenpreisen und steigender Nachfragen nach Produkten und Arbeitskräften führen kann. Zudem erhöht Automatisierung die Produktivität anderer Tätigkeiten und schafft neue Berufsfelder. Dennoch kann die Automatisierung in einigen Betrieben dazu führen, dass manche Tätigkeiten nicht mehr ausgeübt werden.
Eine Untersuchung der Beschäftigungseffekte durch den zunehmenden Einsatz von Industrierobotern in den Jahren 1994 bis 2014 in Deutschland zeigt, dass es trotz einer Vervierfachung der Anzahl der Roboter zu keinem Beschäftigungsrückgang gekommen ist. Zwar sind ca. 280.000 Industriearbeitsplätze weggefallen, aber etwa im gleichen Umfang neue Dienstleistungsjobs entstanden. Dabei wurde in den meisten Fällen auch kein Industriearbeiter entlassen, sondern die entsprechenden Stellen wurden nicht mehr neu besetzt. Trotz der ausbleibenden Wirkung auf die Beschäftigung insgesamt hat der zunehmende Einsatz von Robotern jedoch Einfluss auf die Höhe und Struktur der Einkünfte. Die steigende Produktivität wirkt sich in steigenden Gewinneinkommen aus, wobei die Lohneinkommen im Durchschnitt gleich bleiben. Entsprechend sinkt die Lohnquote. Innerhalb der Lohneinkommen steigen die Löhne der Hochqualifizierten, während die Löhne der mittel ausgebildeten Arbeitnehmer sinken. Auf die Löhne der niedrig gebildeten Arbeitnehmer zeigen sich keine signifikanten Effekte.
Um die Auswirkungen der Automatisierung und Robotik abzufedern, sollte die Politik in erster Linie Bildung und berufliche (Weiter-)Qualifikation fördern. Die populär diskutierte Idee einer Maschinen- oder Robotersteuer, mit der der Faktor Arbeit im Vergleich zum Faktor Kapital verbilligt werden soll, führt in zweifacher Hinsicht in die Irre: Zum einen besteht das Problem gar nicht in einem drohenden Beschäftigungsabbau, sondern allenfalls in unerwünschten Auswirkungen auf die Struktur der Einkünfte. Zum anderen macht eine Maschinensteuer nicht nur den Faktor Arbeit relativ billiger, sondern wirkt auch negativ auf Investitionen und Wachstum, so dass die erhofften Beschäftigungswirkungen ausbleiben. Möchte die Politik die durch den zunehmenden Einsatz von Automatisierung und Robotik veränderte Einkommensstruktur, also steigende Gewinneinkommen und konstante Lohneinkommen, korrigieren, wäre es sinnvoll, mehr gesellschaftliche Teilhabe am Produktivitäts- und Einkommenszuwachs zu erreichen. Denn wenn Arbeitnehmer an Unternehmen beteiligt sind, können sie an den steigenden Gewinneinkommen partizipieren. Sie sollten dabei allerdings nicht (nur) Beteiligungen am eigenen Unternehmen halten, sondern den Beteiligungsbesitz breit streuen, um Klumpenrisiken zu vermeiden.
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Autor:
Dr. Susanne Cassel und Dr. Tobias Thomas sind Vorsitzende bei Econwatch, einer gemeinnützigen und unabhängigen Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, verständlich und wissenschaftlich fundiert über Wirtschaftspolitik zu informieren und Reformmöglichkeiten aufzuzeigen.