Deutschland jetzt für die Zukunft fit machen und damit Wachstum sichern

Die politische Unsicherheit dieser Tage wirft die robuste Konjunktur in Deutschland kurzfristig nicht aus der Bahn. Wenngleich eine neue Regierung noch etwas auf sich warten lassen dürfte, der Arbeitsauftrag steht bereits. Die Politik sollte Deutschland angesichts des Fachkräftemangels und der Herausforderungen von Digitalisierung und Demografie jetzt für die Zukunft rüsten, um Wachstum zu sichern.

Deutschland befindet sich derzeit im fünften Aufschwungjahr in Folge. Die jährlichen Wachstumsraten liegen durchweg bei rund 2 Prozent. 2018 wird sich das Wachstumstempo nur marginal verlangsamen. Die Beschäftigung steigt von Rekord zu Rekord. Im nächsten Jahr dürfte die Zahl der Beschäftigten mit knapp 45 Millionen einen neuen Höchststand erreichen.

Als Folge der robusten Konjunktur, die schon eher einem Wirtschaftsphänomen denn einem Zyklus gleicht, sind die finanziellen Spielräume derzeit größer als in schlechten Zeiten. Das weckt sicher bei dem einen oder anderen Begehrlichkeiten.

Die Sozialpolitik wird vermutlich die Wirtschaftspolitik dominieren. Steuersenkungen sind, trotz der neuen Bedingungen in den USA, nur in geringem Umfang zu erwarten. Eine Absenkung des Solidaritätszuschlags wird es wohl in irgendeiner Form geben, vermutlich aber nur für untere und mittlere Einkommen. Dabei wäre die vollständige Beseitigung des Soli effektiv, fair und transparent. Doch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung wird sich nur dann so positiv fortsetzen, wenn es auch in Zukunft nicht zu einer weiteren Verschlechterung der investiven Rahmenbedingungen in Deutschland kommt. Dies betrifft vor allem die Bereiche Regulierung, Bürokratie, Steuern und die Energiekosten.

Arbeitsangebot stärken!

Der demografische Wandel wird die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte in Zukunft deutlich reduzieren. Hier ist eine mutige und steuernde Migrationspolitik gefragt, die auch eine potenzialorientierte Zuwanderung zulässt. Die Politik kann die negativen Auswirkungen der zunehmenden Überalterung mit einem modernen Einwanderungsrecht abmildern. Perspektivisch können dann steigende Engpässe im so genannten MINT-Bereich, also bei Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, verringert werden. Bereits heute wäre der Fachkräftemangel deutlich größer, wenn es keine Zuwanderung über den Arbeitsmarkt gegeben hätte. Der Fachkräftemangel betrifft mittlerweile auch vergleichsweise „einfache“ Berufe. Zu glauben, dass sich das Verknappungsproblem des Faktors Arbeit von alleine löst, ist naiv. Um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands langfristig zu sichern, muss auch die Bildung an den Schulen gestärkt werden, um Studierfähigkeit und Ausbildungsreife zu sichern.

Das Arbeitsangebot ist zu stärken. Eine neue Regierung muss hierfür moderne Arbeitsmarktinstitutionen schaffen, etwa mit Blick auf die Arbeitszeit, und das staatliche und privatwirtschaftliche Bildungssystem laufend verbessern. Zudem sollten weitere Anstrengungen für die Arbeitsmarktintegration von Frauen, Älteren und Personen mit Migrationshintergrund unternommen werden. Die Rente mit 63 war ein Fehler. Wer daran festhält, wird dem Land nicht gerecht. Stattdessen muss darüber nachgedacht werden, wie die Lebensarbeitszeit verlängert werden kann.

Die fortschreitende Digitalisierung in den Unternehmen erfordert zudem eine forcierte Digitalisierungspolitik. Die Gestaltung der digitalen Transformation hängt zwar zunächst an der Infrastruktur, an Innovation und Bildung. So muss die digitale Infrastruktur weiter modernisiert werden, siehe Breitbandausbau. Vor allem in den ostdeutschen Bundesländern liegen hier noch gravierende Defizite vor, die es erschweren, die dortige Wirtschaft mit digitalisierten Geschäftsmodellen zu durchdringen. Auch wird es zu einer Verschiebung der Qualifikationsstruktur kommen. Doch ob die Transformation gelingt, hängt ebenso an der demografischen Dynamik. Ohne tragfähige Perspektiven hier wird die Digitalisierung stocken.

Mit Blick auf die schwierige Regierungsbildung in Berlin bleibt festzuhalten: Die Erfahrung der vergangenen Jahre lehrt, dass politische Impulse solcher Art die Konjunktur nicht wirksam betreffen, zumal die Schockverarbeitung seit dem Jahr 2000 die Resilienz der Volkswirtschaft gestärkt hat. Mittelfristig freilich kann es zu Folgen kommen, wenn Wachstumsvorsorge und die notwendigen Weichenstellungen bei Demografie und Digitalisierung unterbleiben.

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Autor:

Prof. Dr. Michael Hüther ist Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft.

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