Der Staat macht uns nicht glücklich

Im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) hat das Centrum für angewandte Wirtschaftsforschung das erste Trotz steigendem Bruttoinlandsprodukt hat sich die Lebenszufriedenheit der Deutschen seit Beginn der 90er Jahre nicht erhöht.  Mehr materieller Wohlstand bedeutet nicht automatisch mehr Glück. Was also sind treibende Glücksfaktoren? Neben dem Einkommen ist es vor allem die Qualität der Arbeitsstelle, zeigt eine Studie  des Centrum für angewandte Wirtschaftsforschung.

Von Nicole Uhde und Prof. Dr. Ulrich van Suntum

Der Mensch lebt nicht vom BIP allein. Die internationale Glücksforschung hat deutlich gemacht, dass neben Wirtschaftswachstum und materiellem Wohlstand noch viele andere Faktoren für die Lebenszufriedenheit eine Rolle spielen. Deshalb haben wir nun zum ersten Mal ein Glücks-BIP für Deutschland berechnet, das diese Faktoren berücksichtigt und quantifiziert. Basis sind die Daten des Sozio-Oekonomischen Panels für die Jahre 1991 – 2008, wobei insgesamt Antworten von 19.500 Personen einbezogen wurden. Demnach ist z. B. ein sicherer Arbeitsplatz nicht nur wegen des Einkommens ein wichtiger Glücksfaktor, sondern auch ein Wert an sich. Zufriedenheit und Selbstwertgefühl steigen dadurch selbst bei unverändertem Einkommen. Umgekehrt kann ein höheres Einkommen den Verlust der Beschäftigung allein meist nicht ausgleichen. Das spricht dafür, Maßnahmen wie Kombilöhnen und workfare-Programmen den Vorzug gegenüber der bloßen Zahlung von Arbeitslosengeld II zu geben.

Private Vorsorge und Vermögensbildung leisten ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur individuellen Zufriedenheit. Dies gilt auch für privates Wohneigentum. Empirische Arbeiten deuten daraufhin, dass Wohneigentum zusätzlich noch das gesellschaftliche Engagement steigert und die sozialen Bindungen fördert – beides ebenfalls wichtige Glücksfaktoren.

Dass mehr Umverteilung die Menschen glücklicher macht, konnte dagegen nicht belegt werden. Eher scheint in Deutschland das Gegenteil der Fall zu sein, zumal mit jeder Umverteilungsmaßnahme die Leistungsanreize sinken und die Abhängigkeit vom Wohlfahrtsstaat steigt. Möglicherweise ist Deutschland hier bereits zu weit gegangen.

Nicht alle Glücks-Faktoren sind politisch beeinflussbar. Großen Einfluss haben z. B. die persönlichen Lebensumstände und nicht zuletzt auch die Lebenseinstellung auf die Zufriedenheit. Es wäre aber schon viel gewonnen, wenn die Politik diejenigen Glücksfaktoren positiv gestalten könnte, auf die sie zumindest längerfristig einen Einfluss hat. Dazu gehören neben den ökonomischen Rahmendaten auch gesellschaftspolitische Weichenstellungen, etwa im Gesundheitswesen und in der Renten-, Familien- und Arbeitsmarktpolitik.

Das Glücks-BIP setzt sich aus mehreren beeinflussbaren Einzelindikatoren zusammen, wobei das Wirtschaftswachstum nur einer von insgesamt elf Glücksfaktoren ist. Konjunkturschwankungen schlagen sich im Glücks-BIP erst mit einer Zeitverzögerung von etwa einem Jahr nieder. Das liegt vor allem daran, dass der Arbeitsmarkt ebenfalls erst mit entsprechender Zeitverzögerung auf Wachstumsschankungen reagiert. Nicht weniger wichtig sind aber andere Glücksfaktoren wie die individuelle finanzielle Situation, der Gesundheitszustand und die Zufriedenheit am Arbeitsplatz. Die Menschen in Ostdeutschland sind insgesamt weniger zufrieden als im Westen, was angesicht der ökonomischen Unterschiede kaum verwundern kann. Auch die aktuelle Finanzkrise hat sich bisher noch nicht negativ im Glücks-BIP ausgewirkt. Dies dürfte sich zwar ändern, wenn im nächsten Jahr die Umfragedaten für 2009 vorliegen. Allerdings ist nach bisheriger Erfahrung damit zu rechnen, dass der Einbruch in der Lebenszufriedenheit deutlich geringer ausfällt als der des Wirtschaftswachstums. Der bisherige Verlauf des Glücks-BIP zeigt jedenfalls, dass die Menschen relativ gelassen auf wirtschaftliche Schwankungen reagieren, und zwar in beiden Richtungen. Für die Politik könnte auch das ein wichtiger Hinweis sein.

Autor:

Prof. Dr. Ulrich van Suntum ist geschäftsführender Direktor des Centrums für angewandte Wirtschaftsforschung der Universität Münster (CAVM) und stellvertretender Bundesvorsitzender der Partei Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa).

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