Der Staat kassiert mit den Erben

Die Beratungsgesellschaft BBE prognostiziert auch für die kommenden Jahre ein steigendes Erbschaftsvolumen: Ab 2010 sollen jährlich 294 Millliarden Euro vererbt werden.

Noch nie wurde so viel vererbt wie heute und in den kommenden Jahren. Die Beratungsgesellschaft BBE schätzt das jährliche Erbschaftsvolumen auf 217 Milliarden Euro. Ab 2011 soll es sogar auf 294 Milliarden ansteigen. Nach über einem Jahr hat die Koalition jetzt einen Reformvorschlag für die Erbschaftsteuer vorgelegt. Fest steht: Der Staat will auf ein milliardenschweres Steueraufkommen nicht verzichten. Ökonomen kritisieren vor allem die komplizierte Steuerkonzeption.

  

Stefan Bach, stellv. Leiter der Abteilung Staat beim DIW Berlin, weist in einem Beitrag im DIW Wochenbericht Nr.45/2008 vor allem auf Umsetzungsprobleme hin:

-„…die ideologische und steuerpolitische Bedeutung der Erbschaftsteuer steht seit je her in keinem Verhältnis zu ihren tatsächlichen Wirkungen.“
– „Alle Vermögenswerte sollen stattdessen mit ihrem Verkaufswert angesetzt werden. Das ist völlig richtig aber leichter gesagt als getan. Denn für die meisten Vermögenswerte gibt es keinen objektiven Marktwert.“
– „Ein anderes Problem ist das Betriebsvermögen. Beschlossen ist, Betriebe und Beteiligungen an Kapitalgesellschaften nur mit 15 Prozent ihres Wertes anzusetzen, wenn der Erbe den Betrieb fortführt. (…) Dafür würde eigentlich ein moderater Freibetrag ausreichen.“
– „Erbt man dagegen ein Grundstück oder ein Bankdepot von „entfernten Verwandten“ wie Geschwister oder Tanten, ist man schon bei kleinen Beträgen mit Steuerbelastungen von 30 Prozent oder mehr dabei.“

Prof. Dr. Wolfgang Schön hätte sich eine einfachere Regelung für die Erbschaftsteuer gewünscht. Siehe hierzu das Interview mit dem Handelsblatt am 10. November 2008:

„Insgesamt hat sich ja am Grundkonzept der Reform nichts geändert. Grundsätzlich hielte ich es für besser, Niedrigsteuersätze für alle Erben und alle Vermögensarten zu wählen. Das wäre einfacher und auch gerechter.“

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Ludwig Georg Braun, kritisiert am 08. November 2008 den hohen Bürokratieaufwand:

„Zwar ist die Vereinbarung eine Verbesserung gegenüber dem Kabinettsentwurf. Im Ergebnis bleibt es aber bei einem sehr komplizierten und bürokratischen Erbschaftsteuerrecht, das für die Betriebe mit vielen Unwägbarkeiten verbunden ist. Für die Betriebe ist damit eine lange Hängepartie zu Ende.“

Jan Dams beschreibt die unterschiedlichen Motive der Reform aus Sicht der jeweiligen Partei am 11. November 2008 in “Die Welt”:

“Die SPD betrachtet die Erbschaftsteuer emotional unter dem Stichpunkt Gerechtigkeit. (…) Andererseits wollten sich weder Union noch SPD vorhalten lassen, die Wirtschaft mit ihrer Reform zu belasten. (…) Bei so vielen Vorgaben ist es kein Wunder, dass man sich am Ende auf ein Gesetz mit vielen, zum Teil unverständlichen Einzelregelungen einigte, dessen Folgen im Detail noch keiner ganz genau abschätzen kann.”

Bereits im März hatte der Direktor des Instituts Arbeit und Wirtschaft, Prof. Dr. Rudolf Hickel, in einer Stellungnahme an den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages auf Schwachstellen des Gesetzentwurfes hingewiesen:

– „Dieser Regierungsentwurf zur Reform der Erbschaft- und Bewertungsbesteuerungsgesetzes erfüllt nicht die Ansprüche an eine an der Leistungsfähigkeit ausgerichteten, gerechten Besteuerung in einer modernen Gesellschaft.“
– „Der Gesetzentwurf orientiert sich an einem Gesellschaftsbild, das den Veränderungen der Lebensverhältnisse nicht Rechnung trägt. Neue Formen des Zusammenlebens, vor allem auch demografisch bedingt im Alter, werden nicht berücksichtigt und damit benachteiligt.“
– „Die Begründung der Subvention per Verschonungsregel bei Betriebsübergaben ist ökonomisch wie steuer-systematisch abenteuerlich. (…)“
– „Zu erwarten sind zusätzliche Bürokratiekosten, die das Bundesministerium für Finanzen mit 3,5 Mio. € viel zu niedrig ansetzt.“

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zieht in seinem Jahresgutachten 2008/09 vom 12. November 2008 folgendes Fazit:

– „Bezieht man noch die ungerechtfertigten und gleichheitswidrigen unterschiedlichen Verschonungsabschläge von 10 vH. für vermietete Wohnimmobilien und von 85 vH. für Betriebsvermögen sowie zusätzlich zahlreiche weitere Kritikpunkte, die in der einschlägigen Literatur oder in der Anhörung des Finanzausschusses vorgebracht wurden, in die Betrachtung ein, ist das Gesamturteil über diese Reform der Erbschaftsteuer eindeutig negativ – und zwar so negativ, dass ein Verzicht auf die Erhebung der Erbschaftsteuer aus Sicht des Sachverständigenrates besser wäre als die Umsetzung des vorgesehenen Erbschaftsteuertorsos.“ (Gutachten S.323)

– „Man kann abschließend fragen, warum die Bundesregierung trotz anhaltender Kritik über so lange Zeit an einem derart verkorksten Reformvorhaben festhält. Darüber kann nur spekuliert werden. Vermutlich lassen sich die auf dem Job-Gipfel im März 2005 in schwierigen politischen Zeiten gemachten Versprechungen nicht mehr rückgängig machen. Das verzweifelte Festhalten an dieser „Reform“ ist insofern als Zeichen politischer Schwäche zu interpretieren.“ (Gutachten S.328)

Der Steuerexperte Prof. Dr. Wolfgang Wiegard, Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung prognostiziert, dass die Erbschaftsteuer in wenigen Jahren wieder vor dem Verfassungsgericht landen wird:

„(…) es sei zudem falsch, nicht alle Vermögens- und Einkommensarten gleich zu besteuern. Die Reform sieht beispielsweise vor, dass Firmenerben steuerlich geschont werden, wenn sie den Betrieb zehn Jahre lang weiterführen und die Lohnsumme weitgehend unverändert bleibt. Der Steuervorteil gelte aber auch, wenn der Betrieb in andere EU-Staaten verlagert werde, monierte Wiegard; “Dann wird mit der Steuerbegünstigung kein einziger Arbeitsplatz in Deutschland gesichert.” (Auszug aus „Die Welt“ vom 13. November 2008)

Autor:

Jens Lemmer ist Referent für Steuerpolitik und Steuerrecht am Deutschen Steuerzahlerinstitut des Bundes der Steuerzahler.

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