Der Haushaltsspielraum des Bundes ist größer, als er selber glaubt
Tatkräftige und konsumfreudige Bürger sowie eine andauernde Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank eröffnen dem Bund eine gewaltige Gestaltungsmacht. Bei genauerem Hinsehen ist der Haushaltsspielraum sogar deutlich größer, als bisher von der Bundesregierung verlautete. Jetzt kommt es darauf an, das Richtige daraus zu machen. Und das heißt Steuern runter, Investitionen rauf und eine Verschnaufpause bei den sozialen Wohltaten.
Finanziell scheinen die Voraussetzungen für eine neue Bundesregierung exzellent. Dank des konjunkturellen Aufschwungs haben Bund, Länder und Gemeinden im Jahr 2016 einen Überschuss von rund 26 Milliarden Euro erwirtschaftet. Auch in diesem Jahr ist mit einem ähnlichen Plus zu rechnen. Gleichzeitig warnt allerdings vor allem das Bundesfinanzministerium vor der Begrenztheit des haushalterischen Spielraums für eine neue Bundesregierung. Dabei haben die Beamten ihren Blick auf Finanzpläne und Haushaltsansätze gerichtet. Das führt bei der Bestimmung des künftigen Haushaltsspielraums jedoch in die Irre. Denn diese Frage hat auch mit der Balance zwischen dem Staat und seinen Bürgern sowie dem Umgang mit Steuereinnahmen zu tun. Ein genauer Blick auf die Einnahmen und Ausgaben des Bundes kann dabei für Aufklärung sorgen.
Auf der Einnahmenseite hat der Staat in den vergangenen Jahren kräftige Zuwächse verbucht. Dies gilt nicht nur in absoluten Größen, sondern auch mit Blick auf den Anteil der Wirtschaftsleistung, den er für sich beansprucht. Dies belegt die gestiegene und weiter steigende Steuerquote. Auf 23 Prozent wird sich die Steuerquote im Jahr 2020 belaufen, wenn es bis dahin nicht zu einer Reform kommt. Im Durchschnitt lag der Wert in diesem Jahrtausend bei 21,2 Prozent (Grafik Steuerquote). Die Differenz von 1,8 Prozentpunkten würde eine Entlastung von mehr als 55 Milliarden Euro rechtfertigen. Damit könnten Soli und Mittelstandsbauch auf einmal verschwinden. Allerdings sollte der Bund Entlastungen nicht alleine finanzieren: Die Verlagerung der Einnahmen vom Bund zu den Ländern und Gemeinden spricht dafür, dass alle föderalen Ebenen an einer Steuerentlastung beteiligt werden sollten.
Die Analyse der Ausgaben des Bundes zeigt, dass die jeweilige Regierung in manchen Jahren tatsächlich das Sparen im Blick hatte und die Haushalte teilweise konsolidieren konnte. Zurzeit gibt die Politik das Geld jedoch mit vollen Händen aus. Dass das so bleiben soll, verrät der Finanzplan des Bundes für die nächsten vier Jahre. Die „Entlastung“ infolge niedriger Zinsausgaben der letzten Jahre verschleiert dabei noch das dicke Plus bei den übrigen Ausgaben – insbesondere bei den Sozialausgaben. Von 2001 bis 2016 sind die Sozialausgaben des Bundes um fast 60 Prozent gestiegen, während die Gesamtausgaben des Bundes um weniger als die Hälfte nach oben gingen (Grafik Ausgabenentwicklung). Bei den für die Zukunft des Landes so wichtigen Investitionen in Bildung und Infrastruktur war die Politik über viele Jahre dagegen zurückhaltend.
Sämtliche Ausgabenposten sollten daher von einer neuen Bundesregierung kritisch durchleuchtet werden. Schließlich ist es die ureigene Aufgabe der Politiker, mit dem Steuergeld der Bürger verantwortungsvoll umzugehen. Sofern die Ausgaben lediglich mit dem durchschnittlichen Prozentsatz der vergangenen 15 Jahre anstatt mit der im Finanzplan vorgesehenen deutlich höheren Rate wachsen würden, wäre der Spielraum in der laufenden Legislaturperiode um 45 Milliarden Euro größer. Dabei ist der dämpfende Effekt der Zinsausgaben auf das Ausgabenwachstum nicht eingerechnet.
Doch selbst ohne Sparanstrengungen ist der Haushaltsspielraum einer neuen Bundesregierung riesig. Ausgehend von Steuermehreinnahmen aus der aktuellen Steuerschätzung vom November 2017 und den im Finanzplan des Bundes nicht verplanten Haushaltsmitteln ergibt sich für die laufende Legislaturperiode eine Summe von 52 Milliarden Euro. Aus Einmalerlösen bei einem Verkauf der Beteiligung des Bundes an der Deutschen Telekom AG könnte sich der Spielraum für die Jahre 2018 bis 2021 auf insgesamt gut 70 Milliarden Euro erhöhen (Tabelle Haushaltsspielraum). Weitere positive Effekte sind wahrscheinlich: Mit mehr Netto vom Brutto könnten die Bürger den Konsum weiter befeuern und Unternehmen mehr investieren. Davon hätte auch der Staat etwas: nämlich weiter steigende Steuereinnahmen. Der Weg ist also bereitet, die Bürger bei der Steuer zu entlasten und gleichzeitig zukunftsweisende Investitionen in Bildung und Infrastruktur in Ganz zu setzen, ohne dabei neue Schulden aufnehmen zu müssen.
Dieser Blogpost basiert auf der Studie „Wie viel Haushaltsspielraum hat eine zukünftige Bundesregierung?“ (.pdf)
Keinen Ökonomen-Blog-Post mehr verpassen? Folgen Sie uns auf Facebook und Twitter, und abonnieren Sie unseren WhatsApp-Nachrichtenkanal oder unseren RSS-Feed.
Autor:
Dr. Tobias Hentze ist Experte für Finanz- und Steuerpolitik am Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW).