Deflation: Kein Grund zur Panik
Droht der deutschen Wirtschaft die Deflation? Die EZB fürchtet sinkende Preise und will mit einem Kaufprogramm von Staatsanleihen Preissteigerungen entfachen. Viele Ökonomen sehen dagegen keinen Grund zur Panik und vermuten ein ganz anderes Ziel der Notenbank.
Wenn Preise sinken, freut sich der Verbraucher – könnte man meinen. Doch wenn sinkende Preise dazu führen, dass Kaufentscheidungen verschoben werden und somit der Konsum einbricht, droht ein Teufelskreis mit lahmender Konjunktur, steigender Arbeitslosigkeit und steigenden Staatsschulden.
Dieses Szenario will die EZB verhindern, indem sie mit frisch gedrucktem Geld Staatsanleihen vom Markt aufkauft und damit den Weg für mehr Unternehmenskredite frei macht. Dies soll die Nachfrage stimulieren und für Preissteigerungen sorgen.
Ob das momentan jedoch der richtige Weg ist, darüber wird zu Recht gestritten, zumal die Nebenwirkungen der Geldtherapie schwerwiegend sein können. Immerhin würden damit Staatsschulden indirekt mit der Notenpresse finanziert. Die Frage lautet daher nicht vorranging, wie die Deflation gestoppt werden kann, sondern, ob sie überhaupt droht.
Dagegen sprechen aber gleich mehrere Gründe: Hauptgrund für Rückgang der Inflation ist der Ölpreisverfall. Der Preis für den Schmierstoff hat inzwischen den niedrigsten Stand seit 5 Jahren erreicht. Die sogenannte Kerninflation – Lebensmittel und Energie werden nach diesem Konzept rausgerechnet – ist dagegen im Dezember von 0,7 auf 0,8 Prozent sogar leicht angestiegen.
Zudem bleiben die Ölpreise nicht dauerhaft auf diesem niedrigen Niveau. Und der Preisverfall ist keine Konsequenz durch den niedrigen Konsum hierzulande. Jeder ist auf den Kauf von Öl angewiesen, sei es für das Heizen oder die Fortbewegung. Hier das Anzeichen einer Deflation zu erkennen, ist also falsch.
Die niedrige oder teilweise sogar negative Inflation in anderen EU-Staaten wie Griechenland oder Portugal ist die Konsequenz eines Anpassungsprozesses. Sinkende Preise steigern die Wettbewerbsfähigkeit und sind Folgen der wirtschaftspolitischen Reformen. Hat die Anpassungsstrategie Erfolg, ziehen die Preise auch in diesen Ländern wieder an.
Die Furcht vor einer Deflation wird deutlich überzeichnet. Viel eher schleicht sich der Verdacht ein, dass die EZB einen Grund sucht, um ihre gesetzliche Vorgabe, Staaten nicht mit Hilfe der Notenpresse zu finanzieren, zu umgehen. Der Druck der reformunwilligen Regierungen scheint einfach überwältigend zu sein!
Eine ausführlichere Version dieses Beitrags ist vergangenen Freitag auf wiwo.de erschienen.
Autor:
Prof. Dr. Andreas Freytag ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er ist zudem als Honoraprofessor an der Universität Stellenbosch und am Institute for international Trade der Universität Adelaide tätig. Neben den Fragen zur deutschen und europäischen Wirtschaftspolitik interessieren ihn außenwirtschaftliche und entwicklungspolitische Themen.