Das Klima retten: Ein neuer Weg zu einer effektiven CO2-Begrenzung
Die globalen Treibhausgasemissionen nehmen kontinuierlich zu. Allen politischen Lippenbekenntnissen zum Trotz. In China etwa haben sich zwischen 2002 und 2012 die Emissionen mehr als verdoppelt. Ohne eine internationale Kooperation von den bedeutendsten Emittentenländern wird sich die Entwicklung nicht umkehren. Dafür braucht es einen neuen Ansatz. Mengenbasierte Abkommen sind gescheitert. Besser wäre ein einheitlicher CO2-Preis.
Der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen muss dringend in starkem Maße reduziert werden, soll die globale Erwärmung aufgehalten werden. Das ist die eindringliche Warnung der Experten des Weltklimarates IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), die diese in ihrem jüngsten Sonderbericht vom Oktober 2018 wieder einmal vorgebracht haben. In diesem Bericht wird dazu geraten, den weltweiten Treibhausgasausstoß so stark zu begrenzen, dass die globale Durchschnittstemperatur möglichst nicht über 1,5 Grad Celsius über das vorindustrielle Niveau steigt. Zuvor wurde lange Zeit die Einhaltung des sogenannten Zwei-Grad-Ziels als ausreichend erachtet, um massive Schäden durch einen weltweiten Klimawandel vermeiden zu können.
Allen Warnungen von Experten und Lippenbekenntnissen von politischen Vorreitern zum Trotz haben sich die globalen Treibhausgasemissionen in den vergangenen Jahrzehnten jedoch nahezu beständig weiter erhöht. Die Einsparbemühungen Deutschlands und Europas wurden konterkariert durch die stark gestiegenen Emissionen von Schwellenländern, allen voran China. Zwischen 2002 und 2012 haben sich die Treibhausgasemissionen Chinas mehr als verdoppelt und stiegen von 5,2 auf knapp 11 Mrd. Tonnen CO2-Äquivalente (CAIT 2015). China war im selben Zeitraum für mehr als die Hälfte des Anstiegs der weltweiten Treibhausgasemissionen von 34,9 auf gut 44,8 Mrd. Tonnen verantwortlich und war damit der Haupttreiber des globalen Treibhausgasausstoßes. Dadurch hat sich der globale Ausstoß an Treibhausgasen seit 1990 um über 50 Prozent erhöht.
Diese Fakten zeigen, dass ohne internationale Kooperation in Form eines Klimaschutzabkommens, das von den bedeutendsten Emittentenländern unterzeichnet wird, die globalen Treibhausgasemissionen nicht wirksam gesenkt werden können. Ein solches internationales Klimaschutzabkommen kann jedoch, das zeigt die Geschichte des Kyoto-Protokolls und der Verhandlungen um einen Nachfolgevertrag, insbesondere aber das Scheitern der Weltklimakonferenz von Kopenhagen, nicht auf Mengenzielen basieren, mit denen Emissionsobergrenzen für einzelne Staaten oder Regionen wie die Europäische Union vorgegeben werden (Cramton, Ockenfels, Stoft 2015: 53). Zu dieser Schlussfolgerung ist am 11. März 2013 auch die US-Regierung gekommen. Auch der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz (2015) hat wiederholt erklärt, warum es keinen Grund gibt, an das Zustandekommen eines auf mengenbasierten Emissionsregeln beruhenden internationalen Klimaschutzabkommens zu glauben. Dies liegt Stiglitz (2015) zufolge unter anderem daran, dass sich reiche und arme Länder niemals auf ein mengenbasiertes Abkommen einigen können. Aus diesem und aus anderen Gründen kommt Weitzmann (2015) zum Schluss, dass Verhandlungen über eine globale Emissionsobergrenze grundsätzlich zum Scheitern verurteilt sind.
Als aussichtsreiche Alternative zur wirksamen Minderung des weltweiten Treibhausgasausstoßes hat der kürzlich mit dem Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnete William Nordhaus (2013, 2015) den Abschluss eines Abkommens über einen global einheitlichen CO2-Preis vorgeschlagen, ebenso wie Cooper (2004), Cramton und Stoft (2012), Stiglitz (2015) oder Weitzmann (2015). Tatsächlich ist ein global einheitlicher CO2-Preis das fundamentale Prinzip, das ursprünglich auch dem Kyoto-Prozess zugrunde lag (Cramton, Ockenfels, Stoft 2015: 55). Ein wesentlicher Vorteil ist, dass ein einheitlicher CO2-Preis die Voraussetzung für kosteneffizienten Klimaschutz wäre (Cramton, Ockenfels, Stoft 2015: 51). Andernfalls besteht die Gefahr, dass willige Klimaschutzvorreiter Treibhausgasemissionen zu hohen Kosten reduzieren, während kostengünstige Vermeidungsmaßnahmen in Trittbrett fahrenden Ländern nicht ergriffen würden.
Ein weiterer Vorteil ist, dass die politische Umsetzung eines global einheitlichen CO2-Preises jedem Land individuell überlassen bleiben und in der Praxis relativ einfach erfolgen kann, zum Beispiel mittels der Einführung von CO2-Steuern oder der Erhöhung von bestehenden Steuern auf fossile Energieträger. Alternativ kann in bestehenden oder neu zu etablierenden Emissionshandelssystemen ein Mindestpreis für Zertifikate eingeführt werden. Es kann sogar im Eigeninteresse eines Landes sein, den in einem globalen Abkommen festgelegten einheitlichen CO2-Preis auf nationaler Ebene einzuführen, wenn die dadurch erzielbaren Einnahmen in dem Land verbleiben.
Diese Einnahmen könnten für vielerlei Zwecke verwendet werden, um die Unterstützung in der Bevölkerung für eine solche Maßnahme zu erhöhen, etwa zur Reduktion bestehender Steuern oder zur unmittelbaren Entlastung ärmerer Bevölkerungsgruppen, welche von einer CO2-Pönale relativ zum Einkommen am stärksten betroffen sind. In diesem Punkt unterscheidet sich ein solches Klimaschutzregime fundamental von einem überregionalen Emissionshandelssystem, bei dem finanzielle Mittel aus Ländern mit hohen Emissionen − und folglich fehlenden Zertifikaten − in Länder mit geringem Treibhausgasausstoß und einem entsprechendem Zertifikateüberschuss fließen. Im Gegensatz zu einer freiwilligen Festlegung auf Emissionsbeschränkungen erscheint aus diesen Gründen die freiwillige Teilnahme an einem internationalen Preisabkommen sehr viel wahrscheinlicher (Cramton, Ockenfels, Stoft 2015).
Um die Chancen für das Zustandekommen eines weltweiten Preisabkommens zu erhöhen, sollten die Hürden für den Eintritt in einen derartigen Klimaschutz-Klub, in dem die Klubmitglieder CO2-Preise etablieren (Nordhaus 2015), möglichst niedrig gesetzt werden, indem der global einheitliche CO2-Preis anfänglich auf einem niedrigen Niveau festgesetzt wird. In Abhängigkeit der Teilnahmebereitschaft an einem solchen Abkommen und der Kooperationswilligkeit der Klubmitglieder könnte dann der CO2-Preis sukzessive erhöht werden, um so den globalen Treibhausgasausstoß stabilisieren und letztlich irgendwann einmal reduzieren zu können.
Um die Attraktivität einer Klubmitgliedschaft zu erhöhen, sollten arme Länder unter der Bedingung, dass sie einen Mindestpreis für CO2-Emissionen einführen, Transferzahlungen von den reichen Industriestaaten erhalten. Diese Transferzahlungen könnten aus dem sogenannten Green Climate Fund stammen (GFC 2016), der bis zum Jahr 2020 von reichen Ländern wie Deutschland mit 100 Milliarden US-Dollar ausgestattet werden soll. Auf diese Weise könnte ein Lastenausgleich zwischen armen und reichen Ländern erfolgen und die Frage der Allokation der Vermeidungsmaßnahmen kann von der Frage der Kostenverteilung getrennt werden – laut Weimann (2016) eine wesentliche Voraussetzung für kosteneffizienten Klimaschutz.
Derzeit wird ein solcher strategischer Einsatz der Klimafinanzierung allerdings ebenso wenig diskutiert wie ein internationales Abkommen über einen global einheitlichen CO2-Preis. Ohne eine solche Einigung ist jedoch zu befürchten, dass das Pariser Klimaschutzabkommen mit seinem wenig überschaubaren System an unkoordinierten Minderungszusagen einzelner Staaten, mit deren Nichteinhaltung keinerlei Sanktionen verbunden sind, scheitert.
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Literatur
CAIT (2015) Climate Data Explorer. 2015. Washington, DC: World Resources Institute. http://cait.wri.org
Cooper, Richard N. (2004) A Global Carbon Tax? Council on Foreign Relations, Commissioned Briefing Notes for the CIGI/CFGS L20 Project.
Cramton, Peter, Ockenfels, Axel, Stoft, Steven (2015) An International Carbon-Price Commitment Promotes Cooperation. Economics of Energy & Environmental Policy 4(2), 51–64.
Cramton, Peter, Stoft, Steven (2012) Global Climate Games: How Pricing and a Green Fund Foster Cooperation. Economics of Energy & Environmental Policy 1(2), 125-136.
GFC (2016) Green Climate Fund. https://www.greenclimate.fund/
Nordhaus, William D. (2015) Climate Clubs: Overcoming Free-riding in International Climate Policy, American Economic Review 105 (4), 1339-1370.
Stiglitz, Joseph E. (2015) Overcoming the Copenhagen Failure with Flexible Commitments. Economics of Energy & Environmental Policy 4(2), 29–36.
Weimann, Joachim (2016) Anspruch und Wirklichkeit: Kann das Pariser Abkommen funktionieren? Ifo Schnelldienst 69(3), 3-5.
Weitzman, Martin (2015) Internalizing the Climate Externality: Can a Uniform Price Commitment Help? Economics of Energy & Environmental Policy 4(2), 37–50.
Autor:
Prof. Dr. Manuel Frondel ist außerplanmäßiger Professor für Energieökonomik und angewandte Ökonometrie an der Ruhr-Universität Bochum und Leiter des Kompetenzbereichs „Umwelt und Ressourcen“ am RWI.