China lässt den Geist der Inflation aus der Flasche!
Um einer möglichen Konjunkturdelle zuvorzukommen, gibt China Liquiditätsreserven frei. Damit steigt der Inflationsdruck – nicht nur in China, sondern weltweit. Hinzu kommt: auch die EZB und die FED schüren mit ihrer expansiven Geldpolitik die Inflation.
Das chinesische Wachstum wird im 2. Quartal 2012 mit 7,8% ebenso wie Exporte, Investitionen und Industrieproduktion hinter den Erwartungen zurückbleiben. Die Regierung fürchtet steigende Arbeitslosigkeit und politische Unzufriedenheit. Dies ist Anlass für die Peoples Bank of China, den Mindestreservesatz ausgehend von einem Niveau von ca. 20% zum dritten Mal um weitere 0,5 Prozentpunkte zu senken. Für die staatlich kontrollierten Banken Chinas werden schätzungsweise 400 Milliarden Yuan (ca. 50 Milliarden Euro) mehr Liquidität zur Verfügung gestellt.
Die chinesische Zentralbank öffnet damit weiter eine immense Liquiditätsreserve, die sie seit der Jahrtausendwende in Reaktion auf die Niedrigzinspolitik der USA und daraus resultierende spekulative Kapitalzuflüsse angesammelt hat. Die sogenannte „Sterilisierungspolitik“ war lange Zeit nötig, weil die Stabilisierung des Wechselkurses durch immense Dollarankäufe große Mengen an Liquidität freisetzte.
Die Preise chinesischer Exportgüter auf den Weltmärkten wurden auf diese Weise niedrig gehalten und erlaubten China ein exportgetriebenes Wachstum. Die Zentralbanken der großen Industrieländer konnten wiederum die Zinsen niedrig halten, da die billigen chinesischen Exportgüter den Preisauftrieb dämpften. Die Mindestreservepolitik Chinas (und vieler anderer aufstrebender Volkswirtschaften) war damit ein zentraler Grund weltweit niedriger Inflationsraten und Zinsniveaus. Nun scheint die chinesische Zentralbank den Geist der Inflation aus der Flasche zu lassen, indem sie die Liquiditätsreserven schrittweise freigibt. Dies verhindert zwar kurzfristig eine konjunkturelle Abkühlung in China, bringt aber längerfristig Gefahren für China und die Weltwirtschaft mit sich.
Erstens wird der staatliche gelenkte Bankensektor Chinas neue Investitionsprojekte finanzieren, die ohne billiges Geld nicht getätigt würden. Die Renditen chinesischer Investitionen und die Solidität des Kreditportfolios des chinesischen Bankensektors werden weiter sinken. Zweitens wird noch mehr Kapital spekulative Verwendung finden, was die Wahrscheinlichkeit von spekulativen Übertreibungen (z.B. im Immobilienmarkt) und später einer Krise in China erhöht. Drittens steigt das Inflationspotential bei den Güterpreisen. Da in der Regel zunächst die Preise von Lebensmitteln und Energie steigen, dürfte, viertens, die politische Unzufriedenheit der Bevölkerung zunehmen.
Fünftens dürften mit dem Anstieg der inländischen Güterpreise gepaart mit der schrittweisen Aufwertung des chinesischen Yuan auch die Preise der chinesischen Güter auf den Weltmärkten steigen. Der Inflationsdruck, der derzeit schon von sehr expansiven Geldpolitiken in den USA und dem Euroraum sowie hohen Energie- und Rohstoffpreisen ausgeht, würde dann durch steigende Importpreise weiter verstärkt.
Da die Fragilität der Finanzsektoren weder in China noch in den Industrieländern wenig Spielraum für Zinserhöhungen bzw. für eine Erhöhung der Mindestreservepflichten lassen wird, wird der Geist der weltweiten Inflation schwer zurück in die Flasche zu bringen sein.
Autor:
Prof. Dr. Gunther Schnabl ist Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig.