Bitte kein weiterer Papiertiger!

Der Fiskalpakt ist ein Schritt in die richtige Richtung. Dennoch: das “Nein” von Großbritannien und Tschechien hat Konsequenzen: So bleibt der Fiskalpakt ein Tiger ohne Zähne. Darüber hinaus lässt der Pakt weitere Reformschritte vermissen. Wie schafft Europa den Weg zur Stabilitätsunion? Der Autor schlägt 6 Grudsätze vor, die beachtet werden müssen.

Mit der Einführung von Schuldenbremsen und Regellungen über den Abbau übermäßiger Schuldenstände haben die Mitgliedsstaaten der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion den richtigen Weg eingeschlagen. Doch durch das Nein von Großbritannien und Tschechien, wird der Fiskalpakt Völkerrecht und nicht europäisches Primärrecht und muss sich sogar unter den Verträgen der Europäischen Union unterordnen. Das wirft Probleme auf: Denn bei Vertragsverstößen muss erst ein Mitgliedsland Klage beim europäischen Gerichtshof einreichen. “Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus” – diese alte Volksweisheit beschreibt bereits den Schwachpunkt des Wachstums- und Stabilitätspakts und bleibt auch die zentrale Schwachstelle im Fiskalpakt.

Die Einführung von Schuldenbremsen und die Konsolidierungsversprechen sind bis jetzt nur Absichtserklärungen. Rechtlich verbindlich sind die Zusagen jedoch nicht. Daher müssen die Beschlüsse in rechtskräftige Verträge gefasst werden. Neben den rechtlichen Problemen lässt der Fiskalpakt auch weitere Reformschritte vermissen. Damit die Eurozone in Zukunft ein funktionsfähiger Währungsraum ist, sind widerspruchsfrei gestaltete Reformen notwendig. Sechs Grundsätze sind dabei zentral:

●     Stärkung der Disziplinierungsfunktion der Märkte

●     Verbesserung der Tragfähigkeitsanalyse der Schuldenstände

●     Stärkung des Sanktionsmechanismus des Verfahrens bei einem übermäßigem Defizit durch einen Genehmigungsvorbehalt

●     Ermöglichung eines ordentlichen Austrittsverfahrens in der EWU

●     Handhabung des ESM-Krisenbewältigungsmechanismus als Instrument zur Wiederherstellung haushaltspolitischer Eigenverantwortung

●     Steigerung des Wirtschaftswachstums mit Strukturreformen

Das 6-Punkte-Konzept schlägt eine Änderung im Aufsichtsrecht von Finanzinstituten vor. Danach sollten Staatsanleihen in den Bilanzen der Institute risikogewichtet werden. Damit würde die Disziplinierungsfunktion der Märkte gestärkt werden. Zweitens müsste neben der Nettoneuverschuldung auch die Bruttoneuverschuldung stärker überwacht werden. Alte Schulden mit neuen Schulden zu bedienen, birgt langfristig enorme Risiken. Drittens sollte die Nettokreditaufnahme von Ländern, die trotz Sanktionsandrohungen ihre Haushalte nicht ausreichend nachbesserten, einer Genehmigung durch den Rat unterliegen. Viertens schlagen wir (d,h, Christian Fahrholz, Christoph Ohler und ich) vor, eine Austrittsmöglichkeit aus der EWU als Ultima Ratio vertraglich zu verankern. So würde das Erpressungspotential von Krisenländern schwinden. Der fünfte Punkt regelt den Umgang mit dem permanenten Rettungsschirm ESM. Zugang zu den Mitteln dürfte es in Zukunft nur geben, wenn ein Land alle Reformbedingungen erfüllt hat, aber dennoch in eine Schieflage gerät. Im sechsten Punkt fordern wir eine Wachstumsstrategie für Europa. Strukturreformen müssten darauf abzielen, das Wirtschaftswachstum in den Mitgliedsländern zu steigern. Mit nachhaltigem Wachstum wird Schuldenabbau und Stabilität gewährleistet.

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Dies ist ein Beitrag aus der Reihe “WachstumsBlog”. In einem bis zwei Beiträgen pro Woche beschäftigen sich Wirtschaftsexperten im ÖkonomenBlog mit Themen rund um nachhaltiges Wachstum.

Autor:

Prof. Dr. Andreas Freytag ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er ist zudem als Honoraprofessor an der Universität Stellenbosch und am Institute for international Trade der Universität Adelaide tätig. Neben den Fragen zur deutschen und europäischen Wirtschaftspolitik interessieren ihn außenwirtschaftliche und entwicklungspolitische Themen.

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