Binnenmarkt: Sand im Getriebe

Verurteilungen für Verstöße gegen den EG-Vertrag

Adam Smith hatte eine revolutionäre Idee: In seinem Hauptwerk von 1776 „The Wealth of Nations” beschrieb er die Chancen der internationalen Arbeitsteilung – die Keimzelle für wachsenden Wohlstand für alle. Knapp 220 Jahre später, am 31.12.1992 wurde offiziell die Einführung des europäischen Binnenmarktes vollendet. Das Ziel war ein wichtiger erster Schritt zur freien Marktwirtschaft: Abbau von Handelshemmnissen, Verschmelzung der nationalen Märkte zu einem einzigen.

Der EU-Binnenmarkt steht für ein konsequentes Ordnungsmodell: Zölle und andere Handelsbeschränkungen sind mit diesem Modell nicht vereinbar. Darüber hinaus gilt das Prinzip gegenseitiger Anerkennung, d.h. Waren die in einem EU-Land rechtmäßig hergestellt wurden und in den Verkehr gebracht worden sind, dürfen danach auch in allen anderen Ländern der Union verkauft werden.

Wer gegen die sog. vier Freiheiten des europäischen Binnenmarktes verstößt, bekommt es mit der Europäischen Kommission als dessen Hüterin zu tun, die den – EU internen – Freihandel vor Protektionismus schützen sollte. Doch wie ernst werden die Spielregeln von den Nationalstaaten tatsächlich genommen? Die Analyse zeigt: In der Praxis knirscht so manches Sandkörnchen im Getriebe.

Fast 30 Prozent der 425 Urteile, die zwischen 2000 und 2008 gegen die fünf größten EU-Nationen Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und das vereinigte Königreich gesprochen wurden, bestrafen Verstöße gegen Regeln der EU-Binnenmarktes. Dies zeigt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln. Das ist besonders fatal, wenn man bedenkt, dass diese Nationen rund 70 Prozent des europäischen BIPs ausmachen.

Die häufigsten Vergehen der großen Länder waren Verstöße gegen den freien Dienstleistungs- und Warenverkehr, sowie das Recht der EU-Bürger, in jedem Mitgliedsstaat zu wohnen, zu arbeiten und Gleichbehandlung zu erfahren. Als besonders sensibel hat sich das öffentliche Auftragswesen erwiesen. Ausschreibungen und Vergabeverfahren der öffentlichen Hand müssen transparent sein, um Wettbewerber gleich ihrer nationalen Herkunft gleiche Chancen zu gewähren und für Preis-Effizienz zu sorgen. Protektionistische Maßnahmen haben hier oft zum Ziel, bestimmte Regionen und/oder Unternehmen in besonderem Maße zu fördern. Von Januar 2000 bis Juni 2008 wurden über 180 Verfahren wegen derartigen Vertragsverletzungen eingeleitet.

In Krisenzeiten und angesichts hoher Arbeitslosenquoten verstärken sich regelmäßig die Anreize der Politik, den Binnenmarkt, ein zartes Pflänzchen der freien Marktwirtschaft in Europa, zugunsten von Partikularinteressen zu untergraben. Deswegen ist es umso wichtiger, dass die großen Wirtschaftsnationen mit gutem Beispiel vorangehen und die Erkenntnisse Adam Smith’s hochgehalten werden.

Autor:

Dr. Oliver Knipping ist Gründer & stellvertretender Vorsitzender des Instituts für Unternehmerische Freiheit in Berlin sowie Mitglied der Mont Pelerin Society.

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