Banken retten – mit dem richtigen Regelwerk

Durch die Finanzkrise sind die Kurse der Banken erheblich gesunken.Die Welt will raus aus der Bankenkrise. Aber wie? ÖkonomenBlog-Autor Ulrich van Suntum schlägt ein Bad Bank-Modell vor: Zero-Bonds sollen die Bankbilanzen stabilisieren. Lässt sich sein Vorschlag in Deutschland realisieren? Der Bilanzexperte Jörg Baetge meint ja – mit dem richtigen Regelwerk.

„Bad-Bank Konzeptionen“ zur Lösung der Bankenkrise sind derzeit in aller Munde. Nicht zuletzt der G-20 Gipfel in London hat die Diskussion hierzu erneut intensiviert, denn die Staats- und Regierungschefs sind an schnellen diesbezüglichen Lösungen interessiert. Die Idee einer Bad Bank sieht vor, dass toxische, d. h. von der Finanzmarktkrise betroffene Wertpapiere von Geschäftsbanken an Bad Banks und damit letztlich an den Staat übertragen werden. Bei allem Enthusiasmus für eine schnelle Lösung sind nach wie vor Fragen offen, z. B. ob die vorgeschlagenen Modelle mit der heutigen Rechtslage überhaupt möglich sind. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Frage, ob das derzeit gültige Bilanzrecht die diskutierten Lösungen unterstützt. Werden also die konkreten Vorteile des Lösungsvorschlags von Prof. van Suntum bei dem derzeit geltenden Bilanzrecht realisiert, oder bedarf es einer Änderung der Bilanzierungsvorschriften für diesen Spezialfall?

Bei der von Prof. van Suntum vorgeschlagenen Bad Bank-Konzeption, die hier bilanzrechtlich betrachtet wird, würden die toxischen Wertpapiere von einer Geschäftsbank auf eine Bad Bank übertragen. Im Gegenzug würde die Geschäftsbank unverzinsliche aber vom Staat abgesicherte Wertpapiere (im Folgenden: Zero-Bonds) der Bad Bank bekommen. Bargeld würde dafür nicht bezahlt. In einem fiktiven Beispielfall würde also eine Geschäftsbank toxische Wertpapiere im Wert von 100 GE zum 31.12.200X auf die Bad-Bank übertragen. Als Gegenleistung erhält die Geschäftsbank von der Bad Bank unverzinsliche Zero-Bonds zum Nominalwert von 100 GE. Der Zero-Bond hat bspw. eine Laufzeit von 10 Jahren. Die politische Zielsetzung, den Steuerzahler bzw. den Staat durch die Übernahme der toxischen Wertpapiere in die Bad-Bank nicht zu belasten, würde durch die Unverzinslichkeit der Zero-Bonds für die Geschäftsbank und die Verwertung der toxischen Wertpapiere durch die Bad Bank erreicht. Die Arbeitsfähigkeit der Geschäftsbank, d. h. das Vertrauen der Geschäftspartner in deren Bonität, wird sofort dadurch erreicht, dass die Geschäftsbank nach der Abgabe der toxischen Papiere keine unbekannten Risiken mehr im Jahresabschluss hat, sondern eine sichere Forderung gegen den Staat (die Bad Bank). Durch den Austausch der toxischen Wertpapiere gegen Zero-Bonds der Bad-Bank soll also die Unsicherheit der Geschäftspartner der Geschäftsbanken darüber beseitigt werden, dass im Vermögen der jeweiligen Partnerbank noch Unsicherheiten aus den toxischen Wertpapieren bestehen könnten. Die Unverzinslichkeit der Zero-Bonds soll den Eignern der Bank, die in guten Zeiten die Erträge erhalten haben, in schlechten Zeiten das Opfer abverlangen, dass sie keinerlei Zinsen auf den Zero-Bond der Bad Bank erhalten. Die Eigner tragen also dem marktwirtschaftlichen System gemäß die Chancen und Risiken aus dem früheren Erwerb der toxischen Wertpapiere.

Die entscheidenden bilanzrechtlichen Fragestellungen zu dieser Konzeption sind:
Zu welchem Wert gehen die toxischen Wertpapiere von der Geschäftsbank an die Bad Bank über? Wie sind die im Gegenzug erhaltenen Zero-Bonds in der Bilanz der Geschäftsbank im Jahr der Anschaffung und in den Folgejahren zu bewerten?

Bei der Beantwortung beider Fragen sind nach derzeitigem Recht (de lege lata) die Bilanzierungsvorschriften der International Financial Reporting Standards (IFRS) einschlägig, die EU-weit für kapitalmarktorientierte Unternehmen, also auch für die Banken, gelten.

Zu Frage (1): Die Geschäftbank bewertet die toxischen Wertpapiere zum Übergabezeitpunkt zum Fair Value (dem Zeitwert). Aber auch die Bad-Bank wird diese Papiere vor der Übernahme ihrerseits bewerten und zwar ebenfalls zum Zeitwert (Fair Value). Da beide Parteien aber aufgrund der unterschiedlichen Einschätzung der künftigen Risiken die toxischen Wertpapiere unterschiedlich bewerten werden, muss ein „Ausgleich“ zwischen den beiden Vertragspartnern gefunden werden. Der „Übernahmepreis“ ist dementsprechend in einem Verhandlungsprozess zwischen Geschäftsbank und Bad Bank zu finden. In Höhe des verhandelten Kaufpreises erhält die Geschäftsbank Zero-Bonds im Wert des vereinbarten „Kaufpreises“ für die toxischen Wertpapiere.

Zu Frage (2): Zero-Bonds sind nach den derzeit geltenden IFRS von der Geschäftsbank zum Fair Value auf der Basis des „Kaufpreises“ zu bewerten. In dem gezeigten Beispiel würde die Geschäftsbank zum 31.12.200X unverzinsliche Zero-Bonds mit einem Nominalwert von 100 GE und einer Laufzeit von zehn Jahren zum Wert von 100 GE (Anschaffungskosten) erwerben. Der Bilanzwert nach IFRS wäre als Fair Value des Zero-Bonds zu ermitteln. Dazu müsste die Geschäftsbank den Barwert des Zero-Bonds ermittelten, indem der Nominalwert mit dem marktüblichen Zins für Papiere der gleichen Risikoklasse (Risiko gleich null) über die Laufzeit diskontiert wird. In unserem Beispiel würde dies bei einem marktüblichen Zinssatz von bspw. 3 % für risikolose Papiere und bei einer Laufzeit von zehn Jahren zu einem Fair Value von ca. 74 GE führen. Mit diesem Wert wäre der Zero-Bond zum 31.12.200X nach derzeitigen IFRS (de lege lata) im IFRS-Abschluss zu erfassen. Über die zehnjährige Laufzeit würde der Wert des Zero-Bonds dann ratierlich bis auf 100 GE zugeschrieben, bis die Bad Bank den Zero-Bond gegen 100 GE zurückerwirbt.

Da im Bad Bank Konzept von Prof. van Suntum die Geschäftsbank durch die Abgabe der zum Verkaufspreis abgegebenen toxischen Papiere aber keinen bilanziellen Nachteil erleiden, und sofort voll arbeitsfähig sein soll, wäre eine Bilanzierung der Zero-Bonds zu Anschaffungskosten (Nominalwert) anstelle des Fair Values unbedingt erforderlich (de lege ferenda). Nach derzeitigen IFRS ist eine Bewertung eines unverzinslichen Wertpapiers zu den Anschaffungskosten in der Bilanz der Geschäftsbank indes nicht möglich.

Abhilfe könnte allein eine Ausnahmeregelung im Bilanzierungsstandard oder qua Gesetz bzw. EU-Verordnung schaffen. Konkret würde dies im vorliegenden Fall bedeuten, dass die Zero-Bonds in der Bilanz der Geschäftsbank über die gesamte Laufzeit zu den Anschaffungskosten anzusetzen wären. Dies entspreche einer bilanziellen Behandlung der Zero-Bonds als Geld. Sie wären so zu bilanzieren wie Geld, nämlich Bilanzierung zum Nominalwert. In unserem Beispiel also zum Nominalwert von 100 GE über die gesamte Laufzeit. Da der Staat auch früher schon in besonderen Ausnahmesituationen, z. B. bei der Wiedervereinigung oder der Privatisierung der Post, in das Bilanzrecht eingegriffen hat, wird von mir empfohlen, eine Bilanzierung der von der Bad Bank erhaltenen unverzinslichen Zero-Bonds bei den Geschäftsbanken mit den Anschaffungskosten vorzuschreiben. Dies wäre auch vertretbar, da die Geschäftsbank – zwar erst nach Ablauf der Laufzeit – den Nominalbetrag als Geld sicher von der Bad Bank erhält. Die vorgeschlagene Bilanzierung der Zero-Bonds soll dazu dienen, den volkswirtschaftlich und politisch sinnvollen Lösungsvorschlag von Prof. van Suntum für eine Bad Bank erfolgreich und mit wenig Opfern (nur die Verluste bei der endgültigen Verwertung der toxischen Papiere) für den unbeteiligten Steuerzahler umzusetzen.

Der Autor dieses Beitrages ist Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Leiter eines Forschungsteams an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.Zur Lösung der Bankenkrise finden Sie auf dem Ökonomenblog u.a. diese Beiträge:
Lösung der Bankenkrise: Das Modell von Prof. Dr. Ulrich van Suntum
Van Suntum: Enteignung der Hypo Real Estate unnötig

Autor:

Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge leitet Forschungsteams an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

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