Auf einem ungewissen Pfad – UN-Klimaverhandlungen in Paris

Die 21. UN-Klimakonferenz in Paris soll ein konkretes Ergebnis bringen: Die Ablösung des Kyoto-Protokolls durch ein neues globales Abkommen mit verbindlichen Klimazielen. Eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zu den Verhandlungspositionen der einzelnen Länder zeigt: Selbst bei der Ausgestaltung der institutionellen Rahmenbedingen sind sich die Vertreter der 195 Teilnehmerstaaten derzeit noch uneinig – was einen Schatten auf die bevorstehenden Verhandlungen in Paris wirft.

Mit verhaltenem Optimismus hatten sich die einzelnen Delegationen nach ihrer Rückkehr vom Klimagipfel in Lima Ende 2014 an die Arbeit gemacht, um wichtige Weichen für ein erfolgreiches Klimaabkommen zu stellen. Versprechungen aus Washington und Peking hinsichtlich Ihrer gemeinsamen Verantwortung beim Klimaschutz hatten den Eindruck erweckt, dass der neue Ansatz der Selbstverpflichtungen mit klar definierten und transparenten Anstrengungen tatsächlich eine nicht gekannte Dynamik entfachen und somit andere Länder unter Zugzwang setzen könnte.

Der in der peruanischen Hauptstadt von der Weltklimakonferenz verabschiedete Lima Call for Climate Action sah vor, dass alle Länder ihre individuellen Vermeidungsanstrengungen und Beiträge möglichst frühzeitig vor der anstehenden Weltklimakonferenz in Paris transparent, vergleichbar und überprüfbar darlegen sollen. Während dieser Versuch in der ersten Jahreshälfte nur schleppend voranging und nur wenige Staaten die sogenannten Intended Nationally Determined Contributions (INDCs) formuliert hatten, haben inzwischen 150 Länder ihre INDCs offengelegt. Diese Länder sind insgesamt für 90 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Bei der Aufsummierung dieser nationalen Zusagen machte sich dann allerding bei vielen schnell wieder eine gewisse Ernüchterung breit, da die Absichtserklärungen wahrscheinlich nicht ausreichen, um die globale Erwärmung auf das vereinbarte Zwei-Grad-Ziel zu beschränken.

Bestätigt dieser Minimalkonsens nun also wieder die Kritiker, die an dieser Stelle gerne einwerfen, dass Optimismus in der Klimadebatte nur so lange aufkeimt, wie die Diskussion unbestimmt und unverbindlich bleibt? Mit anderen Worten: solange zentrale Elemente eines tragfähigen zukünftigen Klimaabkommens ausgeklammert bleiben oder eben solange sich sämtliche mögliche Varianten zu konfliktgeladenen Positionen eingeklammert in den Verhandlungstexten finden?

Die freiwilligen Beiträge bilden zunächst eimal die Grundlage für die Verhandlungen während des Pariser Gipfels. Dieser „bottom-up“ Ansatz stellt damit eine grundlegende Abkehr von der „top-down“-Architektur des Kyoto-Protokolls dar, das Emissionsziele für lediglich 39 Vertragsstaaten vorsah. Zum einen kann die Einbindung aller Staaten in ein internationales Abkommen dazu beitragen, Klimaschutzziele kosteneffizient zu erreichen. Zum anderen geht es beim Klimaschutz vorrangig um freiwillige Beiträge souveräner Staaten, da keine supranationale Instanz größere Anstrengungen erzwingen kann.

Die Einbindung aller Staaten in die globalen Vermeidungsanstrengungen kann helfen, zunächst neues Vertrauen aufzubauen und dann ambitionierte Ziele über die Zeit zu entwickeln. Länder können sich zu Vorreitern in spezifischen Handlungsfeldern neu zusammenschließen, konditionale Technologietransfers in Entwicklungs- und Schwellenländer können die Anreize erhöhen, die dortigen Klimaschutzaktivitäten zu intensivieren. Dabei muss die Lastenverteilung zwischen den Ländern als fair wahrgenommen werden. Hier kann der „bottom-up“ Prozess einen wichtigen Beitrag liefern, wenn er die INDCs als begründbare Fairnessnormen versteht, die Vorstellungen über eine gerechte Lastenverteilung signalisieren.

Klar ist allerdings auch, dass wesentliche Elemente eines zukünftigen Klimaabkommens wie beispielsweise einheitliche Regelungen zur Messung und zur Kontrolle von Emissionen weiterhin einer „top-down“ Architektur folgen müssen. Ein Blick in den aktuellen Verhandlungstext über den neuen Klimavertrag verdeutlicht die noch ausstehenden Hürden auf dem Weg nach Paris. Ein Beispiel sind die Mindestbedingungen für das Inkrafttreten eines zukünftigen Klimavertrags: Hier finden sich verschiedene Formulierungsalternativen im Vertragsentwurf, die jedoch allesamt keine konkreten Festlegungen beinhalten.

Bereits im Verhandlungsprozess zum Kyoto-Protokoll hatten die Vertragsstaaten eine entsprechende Klausel kontrovers diskutiert. Das damalige Abkommen konnte erst in Kraft treten, nachdem es von 55 Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention ratifiziert worden war. Gleichzeitig mussten die unterzeichnenden Staaten für mindestens 55 Prozent der CO2-Emissionen der Industriestaaten im Jahre 1990 verantwortlich sein. Diese zweite Komponente der gemeinsamen Vereinbarung hatte nach den Ankündigungen der USA und Australien, dass Kyoto-Protokoll nicht zu ratifizieren, schließlich dazu geführt, dass Russland im weiteren Verhandlungsprozess eine Schlüsselrolle zukam, die dann zu weitreichenden Zugeständnissen führte und die Klimawirkungen des Kyoto-Protokolls stark minderte.

Diese Erfahrungen decken sich mit Ergebnissen aus einer internationalen Umfrage unter Delegierten in vergangenen Klimaverhandlungen, die vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) koordiniert wurde. Im Rahmen der Studie hatten Beteiligte aus 96 Ländern ihre Einschätzung für solche Mindestbedingungen dokumentiert. Dabei zeigten sich bei den verschiedenen Akteuren der Klimaverhandlungen zum Teil sehr unterschiedliche Sichtweisen. Befragte aus kleinen Ländern plädierten eher dafür, dass möglichst viele Länder dem Abkommen beitreten müssen, bevor es in Kraft treten kann. Vertreter aus den Industrieländern hingegen präferieren eine Klimakoalition, die lediglich wenige Länder mit hohen Treibhausgasemissionen einbindet. Die Schwellenländer wiederum plädieren dafür, die Mindestmenge der einzubindenden globalen CO2-Emissionen gering zu halten, so dass ein zukünftiges Klimaabkommen auch ohne ihre Unterschrift in Kraft treten könnte.

Der Weg zum Klimagipfel in Paris bleibt also nicht nur steinig, sondern aufgrund der knappen Zeit vor allem steil. Inwieweit es der internationalen Staatengemeinschaft in den nächsten Wochen dabei gelingt, gemeinsam diesen Gipfelsturm zu meistern, scheint derzeit noch fraglich. Offenbar ist derzeit jedes Land gewappnet, seinen eigenen Weg zu gehen.

Weiterführende Studien zum Download

Kesternich, Martin:”Minimum Participation Rules in International Environmental Agreements: Empirical Evidence from a Survey among Delegates in International Climate Negotiations”, erschienen in Applied Economics.

Kesternich, Martin: Minimum Participation Rules in International Environmental Agreements: Empirical Evidence from a Survey Among Delegates in International Climate Negotiations, ZEW Discussion Paper No. 15-009, Mannheim.

Keinen Ökonomen-Blog-Post mehr verpassen? Folgen Sie uns auf Facebook und Twitter, abonnieren Sie unseren RSS-Feed oder unseren Newsletter.

Autor:

Dr. Martin Kesternich ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsbereich "Umwelt- und Ressourcenökonomik, Umweltmanagement" am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).

Datum:
Themen:

Das könnte Sie auch interessieren