Arbeit belohnen, statt Arbeitslosigkeit fördern

Die jüngsten Vorschläge der SPD zum Arbeitslosengeld Q und weiteren Reformen in der Arbeitslosenversicherung haben Bewegung in die Diskussion um geeignete arbeitsmarktpolitische Instrumente gebracht. Das ist zwar grundsätzlich begrüßenswert, doch sind die avisierten Reformen durchweg ungeeignet, die durchaus vorhandenen Probleme zu lösen.

Das Recht auf Weiterbildung verkennt, dass Arbeitslose ganz unterschiedliche individuelle Problemlagen aufweisen. Nicht für jeden ist Weiterbildung ein geeignetes Instrument. Mit dem Rechtsanspruch wird den Arbeitsvermittlern die Möglichkeit genommen, auf individuelle Bedarfe mit gezielten Maßnahmen zu reagieren. Das Arbeitslosengeld Q wiederum entpuppt sich bei näherer Betrachtung als reine Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld. Als hätte es die letzten 20 Jahre Arbeitsmarktforschung nicht gegeben, wird damit in Kauf genommen, dass sich die individuelle Dauer der Arbeitslosigkeit verlängert und somit Langzeitarbeitslosigkeit gefördert wird.

Ohnehin erscheint unverständlich, warum Leistungsausweitungen ausgerechnet für den Rechtskreis der Empfänger von Arbeitslosengeld (ALG) 1 (Unterschied Arbeitslosengeld I u. II) vorgeschlagen wurden. Die meisten dieser Arbeitslosen finden recht schnell auch ohne Zutun der Arbeitsagenturen eine neue Beschäftigung. Anders sieht es für den Bereich der Empfänger von Arbeitslosengeld 2 aus. Hier stehen die Job-Center viel häufiger vor dem Problem, Arbeitslose mit mehreren Vermittlungshemmnissen integrieren zu müssen. Eine mangelnde verwertbare Qualifikation ist eine der größten Herausforderungen. Gleichwohl ist das Pro-Kopf-Budget für die Förderung der beruflichen Weiterbildung für ALG1-Empfänger mehr als doppelt so hoch wie für ALG2-Empfänger, obwohl in Letzterem die Weiterbildungsbedarfe größer sein dürften. Wenn man also Weiterbildungen fördern will, geht das effektiver und einfacher, indem mehr Mittel für Arbeitsmarktpolitik im Rechtskreis SGB II (Hintergrund) bereitgestellt werden. Das kann der Bund in eigener Verantwortung tun und braucht dafür nicht einmal eine Gesetzesänderung.

Ältere haben zwar ein geringeres Risiko, arbeitslos zu werden. Ist Arbeitslosigkeit aber erst einmal eingetreten, fällt ihnen die Rückkehr in einen neuen Job oft schwerer. Das kann viele Gründe haben. Einer dieser Gründe ist, dass mit dem Verlust des Arbeitsplatzes auch betriebsspezifische Kenntnisse und Fertigkeiten entwertet werden. Im Ergebnis ist ein neuer Job unter Umständen zunächst weniger gut entlohnt als der alte, weil der Arbeitnehmer sich dieses betriebsspezifische Wissen erst wieder neu aneignen muss. Die Anspruchslöhne von Arbeitsuchenden orientieren sich aber häufig am letzten Lohn und sinken im Laufe der Arbeitslosigkeit auch nicht ab, obwohl der Marktlohn stetig geringer wird. Im Ergebnis verlängert sich die Arbeitsuche, im Extremfall tritt Langzeitarbeitslosigkeit ein.

Ein Instrument, diesem Problem zu begegnen, stand seit den Hartz-Reformen in Form der so genannten Entgeltsicherung zur Verfügung. Die Grundidee: Ältere Arbeitslose, die einen neuen, schlechter bezahlten Job aufnehmen, erhalten einen Teil der Lohndifferenz zum alten Job ersetzt. Diese Fördermöglichkeit wurde selten genutzt – unter anderem weil sie von den Arbeitsvermittlern in den Arbeitsagenturen wenig angeboten wurde – und 2012 wieder abgeschafft. Wenn man etwas für die älteren ALG1-Empfänger tun will, kann die Entgeltsicherung ein wirksames Mittel sein, den Eintritt von Langzeitarbeitslosigkeit und den Übergang in das Arbeitslosengeld 2 gar nicht erst geschehen zu lassen. Sie ist in jedem Fall ein besseres Angebot für ältere Arbeitslose als ein verlängertes Arbeitslosengeld, weil sie die Aufnahme einer Beschäftigung belohnt und nicht den Verbleib in Arbeitslosigkeit.

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Autor:

Holger Schäfer ist Senior Economist für Beschäftigung und Arbeitslosigkeit beim Institut der deutschen Wirtschaft.

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